Alle Weihnachtserzählungen
Marktplatz gelegen, und zwei flache Stufen führten zur offenen Tür hinab, so daß jeder zornige Bauer, der im Begriff war, sich mit jemandem anzulegen, sofort dort hineinstolpern konnte. Ihr besonderer Beratungsraum und Konferenzsaal war ein höher gelegenes Hinterzimmer mit einer niedrigen, dunklen Decke, die angesichts verzwickter rechtlicher Fragen traurig die Stirn zu runzeln schien. Es war mit einigen hochlehnigen Lederstühlen ausgestattet, die mit großen, glotzäugigen Messingknöpfen versehen waren, von denen hier und da zwei oder drei herausgefallen oder vielleicht von den unruhigen Daumen und Zeigefingern verwirrter Klienten herausgezogen worden waren. In einem Rahmen hing der Druck eines großen Richters, von dessen Perücke jede einzelne Locke in der Lage war, einem die Haare zu Berge stehen zu lassen. Berge von Papieren füllten die staubigen Wandschränke, Regale und Tische; und rundum an der Holztäfelung standen Reihen von feuersicheren und mit Schlössern versehenen Kassetten, auf die Namen von Leuten gemalt waren, die vorwärts und rückwärts zu buchstabieren und Anagramme zu bilden sich ängstliche Besucher wie durch einen grausamen Zauberbann verpflichtet fühlten, während sie dasaßen und Snitchey und Craggs zuzuhören schienen, ohne ein Wort von dem zu verstehen, was diese sagten.
Snitchey und Craggs hatten beide sowohl im privaten Bereich als auch im Berufsleben ihren eigenen Partner. Snitchey und Craggs waren die besten Freunde auf der Welt und hatten echtes Vertrauen zueinander, doch Mrs. Snitchey war durch eine Fügung, die in den Dingen des Lebens nicht ungewöhnlich ist, Mr. Craggs gegenüber grundsätzlich mißtrauisch, und Mrs. Craggs war Mr. Snitchey gegenüber grundsätzlich mißtrauisch. „Du mit deinen Snitcheys“, pflegte letztere Dame manchmal zu Mr. Craggs zu bemerken, wobei sie den scheinbaren Plural wie die Verunglimpfung anstößiger Pantalons oder anderer Gegenstände, die keinen Singular bilden, gebrauchte. „Ich für mein Teil verstehe nicht, was du mit diesen Snitcheys willst. Du vertraust deinen Snitcheys zu sehr, finde ich, und hoffentlich stellst du nicht einmal fest, wie recht ich habe.“ Mrs. Snitchey hingegen pflegte über Craggs zu sagen, daß jener ihn verleiten würde, wenn er je von einem Menschen verleitet würde, und daß sie, wenn sie je ein unaufrichtiges Vorhaben aus einem menschlichen Auge ablesen könne, es aus Craggs’ Augen ablese. Trotz alledem waren sie alle miteinander gute Freunde, und Mrs. Snitchey und Mrs. Craggs hielten ein enges Bündnis gegen „das Büro“ aufrecht, das sie beide als Kammer der Unerfreulichkeiten und gemeinsamen Feind betrachteten, der gefährliche (weil unbekannte) Machenschaften betrieb.
Dessenungeachtet sammelten Snitchey und Craggs Honig für ihre Bienenkörbe. An schönen Abenden verweilten sie hier manchmal am Fenster ihres Beratungszimmers, von dem aus man das ehemalige Schlachtfeld überblickte, und wunderten sich (dies geschah aber zu Zeiten von Gerichtssitzungen, wenn die viele Arbeit sie rührselig stimmte) über den Wahnsinn der Menschheit, die nicht ständig in Frieden leben und sich ans Gesetz halten konnte. Hier gingen Tage und Wochen, Monate und Jahre über sie hinweg; ihr Kalender – die allmählich geringer werdende Zahl von Messingnägeln an den Lederstühlen und der zunehmende Umfang an Papieren auf den Tischen. Knapp drei Jahre waren seit dem Frühstück im Obstgarten vergangen und hatten den einen dünner und den anderen dicker werden lassen; als sie nun am Abend beisammensaßen und berieten.
Nicht allein, sondern mit einem Mann von etwa dreißig Jahren, der nachlässig, aber gut gekleidet war und etwas hager im Gesicht, doch gut gewachsen und gut aussehend. Er saß im Prunksessel, die eine Hand an der Brust, die andere im zerzausten Haar, und grübelte schwermütig vor sich hin. Die Herren Snitchey und Craggs saßen sich an einem danebenstehenden Tisch gegenüber. Eine der feuersicheren Kassetten stand ohne Vorhängeschloß und geöffnet darauf. Ein Teil ihres Inhalts lag auf dem Tisch verstreut, und der Rest ging durch Mr. Snitcheys Hände, der Dokument für Dokument an die Kerze hielt, jedes Papier einzeln betrachtete, wenn er es hervorholte, den Kopf schüttelte und es Mr. Craggs aushändigte. Dieser sah es ebenfalls sorgfältig durch, schüttelte den Kopf und legte es hin. Manchmal hielten sie inne, schüttelten gleichzeitig den Kopf und betrachteten den geistesabwesenden Klienten. Da
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