Alle Weihnachtserzählungen
die Stimme, „kennen Sie nicht einmal die Hälfte meines Unglücks.“
Mr. Snitchey hielt inne und starrte ihn an. Auch Mr. Craggs machte große Augen.
„Ich bin nicht nur hoffnungslos verschuldet“, sagte der Klient, „sondern hoffnungslos …“
„Doch nicht verliebt!“ rief Snitchey.
„Ja!“ sagte der Klient, sank in seinen Stuhl zurück und musterte mit den Händen in den Taschen die Firma. „Hoffnungslos verliebt.“
„Und in keine Erbin, Sir?“ fragte Snitchey.
„In keine Erbin.“
„Auch in keine reiche Dame?“
„Auch in keine reiche Dame, soweit ich weiß, nur reich an Schönheit und Vorzügen.“
„Eine ledige Dame, hoffe ich“, sagte Mr. Snitchey sehr nachdrücklich.
„Gewiß.“
„Es ist doch nicht etwa eine von Dr. Jeddlers Töchtern?“ fragte Snitchey, stützte plötzlich seine Ellbogen auf die Knie und schob das Gesicht mindestens einen halben Meter vor.
„Ja“, erwiderte der Klient.
„Nicht etwa seine jüngere Tochter?“ fragte Snitchey. „Ja“, erwiderte der Klient.
„Mr. Craggs“, sagte Snitchey sehr erleichtert, „würden Sie mir noch eine Prise Schnupftabak geben? Danke! Ich bin glücklich, sagen zu können, daß dies nichts zu bedeuten hat, Mr. Warden. Sie ist verlobt, Sir, sie ist vergeben. Mein Partner kann das bestätigen. Wir kennen die Tatsachen.“
„Wir kennen die Tatsachen“, wiederholte Craggs.
„Nun, ich vielleicht auch“, entgegnete der Klient gelassen. „Was ist denn schon dabei? Sind Sie Männer von Welt, und haben Sie noch nie von einer Frau gehört, die ihre Meinung geändert hat?“
„Es sind bestimmt Prozesse wegen Treubruchs sowohl gegen alleinstehende Frauen als auch gegen Witwen angestrengt worden“, sagte Mr. Snitchey, „doch in der Mehrzahl der Fälle …“
„Fälle!“ warf der Klient ungeduldig ein. „Sprechen Sie mir nicht von Fällen. Der übliche Präzedenzfall hat einen weit größeren Umfang als all Ihre Gesetzbücher. Außerdem, glauben Sie, ich habe sechs Wochen vergeblich im Hause des Doktors gewohnt?“
„Ich glaube, Sir“, bemerkte Mr. Snitchey, indem er sich ernst an seinen Partner wandte, „daß sich von all den Verlegenheiten, in die Mr. Warden früher einmal durch seine Pferde geraten ist – sie waren recht zahlreich und ziemlich kostspielig; das weiß keiner besser als er und Sie und ich –, die eine als die größte herausstellt – wenn er so erzählt –, als er an der Gartenmauer des Doktors mit drei gebrochenen Rippen, einem gebrochenen Schlüsselbein und wer weiß wie vielen Beulen landete. Wir dachten zu der Zeit nicht so sehr daran, als wir wußten, daß es ihm unter des Doktors Händen und Dach gut ging. Doch jetzt sieht es schlimm aus, Sir. Schlimm? Sehr schlimm sieht es aus. Dr. Jeddler ist auch unser Klient, Mr. Craggs.“
„Mr. Alfred Heathfield ist auch eine Art Klient, Mr. Snitchey“, sagte Mr. Craggs.
„Mr. Michael Warden ist auch eine Art Klient“, sagte der unbekümmerte Besucher, „und kein schlechter, nachdem er zehn oder zwölf Jahre lang Possen getrieben hat. Doch Mr. Michael Warden hat sich die Hörner abgelaufen; in dieser Kassette da liegt das Ergebnis, und er meint es ernst damit, Reue zu zeigen und klüger zu werden. Und als Beweis dafür beabsichtigt Mr. Michael Warden – falls er kann –, Marion, die entzückende Tochter des Doktors, zu heiraten und sie mitzunehmen.“
„Wirklich, Mr. Craggs“, begann Snitchey.
„Wirklich, Mr. Snitchey und Mr. Craggs, Sie Partner“, unterbrach ihn der Klient, „Sie kennen Ihre Pflichten gegenüber Ihren Klienten, und Sie wissen nur zu gut, dessen bin ich sicher, daß es zu denen nicht gehört, sich in eine Liebesaffäre einzumischen, die ich Ihnen anzuvertrauen genötigt bin. Ich werde die junge Dame nicht ohne ihre Zustimmung entführen. Daran ist nichts Verbotenes. Ich war niemals Mr. Heathfields Busenfreund. Ich verletze sein Vertrauen nicht. Ich liebe, wo er liebt. Und ich will gewinnen, falls ich kann, wo er gewinnen wollte.“
„Er kann nicht, Mr. Craggs“, sagte Snitchey, offensichtlich besorgt und aus der Fassung gebracht. „Das kann er nicht, Sir. Sie schwärmt für Mr. Alfred.“
„Tut sie das?“ erwiderte der Klient.
„Mr. Craggs, sie schwärmt für ihn, Sir“, beharrte Snitchey. „Ich habe nicht umsonst vor ein paar Monaten sechs Wochen lang im Hause des Doktors gewohnt. Und bald habe ich meine Zweifel gehegt“, bemerkte der Klient. „Sie hätte für ihn geschwärmt, wenn es ihre Schwester
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