Alle Weihnachtserzählungen
wird wahrscheinlich – Ihrer Behauptung zufolge, und Sie sind nie optimistisch – nach zehn Jahren Ehe mit mir reicher sein als als Ehefrau von Alfred Heathfield, vor dessen Rückkehr sie sich fürchtet (denken Sie daran) und der sowenig wie ein anderer Mann meine Leidenschaft übertreffen kann. Wer ist bis jetzt geschädigt? Es ist eine durchweg faire Angelegenheit. Ich habe das gleiche Recht wie er, falls Sie sich zu meinen Gunsten entscheiden sollten, und ich werde mein Recht bei ihr allein durchzusetzen versuchen. Sie werden nach alledem nicht mehr wissen wollen, und ich werde Ihnen auch nicht mehr erzählen. Nun kennen Sie mein Vorhaben und meine Bedürfnisse. Wann muß ich hier abreisen?“
„In einer Woche“, sagte Snitchey. „Mr. Craggs?“
„Noch etwas eher, würde ich sagen“, erwiderte Craggs. „In einem Monat“, sagte der Klient, nachdem er die beiden Gesichter aufmerksam beobachtet hatte. „Heute in einem Monat. Heute ist Donnerstag. Erfolg oder Niederlage, heute in einem Monat gehe ich.“
„Das ist eine viel zu lange Verzögerung“, sagte Snitchey, „viel zu lang. Aber soll’s sein. Ich dachte, er würde sich drei ausbedingen“, murmelte er vor sich hin. „Gehen Sie? Gute Nacht, Sir!“
„Gute Nacht!“ erwiderte der Klient und schüttelte der Firma die Hände. „Sie werden es noch erleben, wie ich die Reichen gut zu nutzen weiß. Von nun an wird Marion mein Schicksalsstern sein!“
„Achten Sie auf die Stufen, Sir“, gab Snitchey zurück, „denn dort leuchtet sie Ihnen nicht. Gute Nacht!“
„Gute Nacht!“
Beide standen mit zwei Kerzen aus dem Büro auf dem Treppenabsatz und paßten auf, bis er unten war. Als er gegangen war, standen sie da und sahen sich an.
„Was halten Sie von alledem, Mr. Craggs?“ fragte Snitchey.
Mr. Craggs schüttelte den Kopf.
„An dem Tag, als die Rechtsübertragung vollzogen wurde, waren wir der Ansicht, daß in dem Abschied des Paares etwas Seltsames lag, soweit ich mich erinnere“, sagte Snitchey.
„Ja“, sagte Mr. Craggs.
„Vielleicht gibt er sich völlig einer Täuschung hin“, fuhr Mr. Snitchey fort, verschloß die feuersichere Kassette und stellte sie weg, „und wenn nicht, ist ein bißchen Wankelmut und Treulosigkeit nichts Ungewöhnliches, Mr. Craggs. Und doch hatte ich dieses hübsche Gesicht für treu gehalten. Ich glaubte sogar bemerkt zu haben“, sagte Snitchey, der Mantel und Handschuhe anzog (denn es war sehr kalt) und eine Kerze auspustete, „wie ihr Charakter in der letzten Zeit stärker und entschlossener geworden war. Mehr wie der ihrer Schwester.“
„Mrs. Craggs war derselben Meinung“, entgegnete Craggs.
„Ich würde heute abend wirklich etwas ausgeben“, bemerkte Mr. Snitchey, der ein gutmütiger Mann war, „wenn ich glauben könnte, daß Mr. Warden die Rechnung ohne den Wirt gemacht hat, doch leichtsinnig, launenhaft und schwankend, wie er ist, kennt er doch die Welt und die Menschen (sollte er zumindest, denn seine Erfahrung hat er teuer genug bezahlt), und ich kann mir das einfach nicht vorstellen. Wir sollten uns lieber nicht einmischen. Wir können weiter nichts tun, Mr. Craggs, als uns ruhig verhalten.“
„Weiter nichts“, erwiderte Craggs.
„Unser Freund, der Doktor, macht sich nichts aus solchen Dingen“, sagte Mr. Snitchey kopfschüttelnd. „Hoffentlich benötigt er nicht seine Philosophie. Unser Freund Alfred spricht vom Lebenskampf“, wieder schüttelte er den Kopf, „hoffentlich wird er nicht früh am Tage niedergeschlagen. Haben Sie Ihren Hut, Mr. Craggs? Ich mache die andere Kerze aus.“
Da Mr. Craggs bejahte, setzte Mr. Snitchey das Wort in die Tat um, und sie tasteten sich aus dem Beratungszimmer, das jetzt so undurchsichtig wie das Thema oder das Gesetz im allgemeinen war.
Meine Geschichte wechselt in ein ruhiges, kleines Arbeitszimmer hinüber, wo an demselben Abend die Schwestern und der rüstige alte Doktor an einem freundlichen Kamin saßen. Grace war mit ihrer Handarbeit beschäftigt. Marion las laut aus einem Buch vor. Der Doktor, in Morgenrock und Pantoffeln, saß in seinen Sessel zurückgelehnt, wobei er die Füße auf dem warmen, kleinen Teppich ausgestreckt hatte, und lauschte dem Buch und betrachtete seine Töchter.
Sie waren hübsch anzusehen. Nie hatten zwei bessere Gesichter einen Kamin strahlend und heilig gemacht. In den drei Jahren hatte sich der Unterschied zwischen ihnen abgeschwächt; und auf der klaren Stirn der jüngeren Schwester drückte sich
Weitere Kostenlose Bücher