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Alle Weihnachtserzählungen

Alle Weihnachtserzählungen

Titel: Alle Weihnachtserzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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der Stadtrat mit einem riesigen Wappen und einer Unmenge Wachs versiegelt hatte, sondern wegen des gewichtigen Namens auf der Anschrift und der Masse Gold und Silber, die damit verknüpft war.
    ,Wie verschieden von uns!‘ dachte Toby allen Ernstes und bei seiner Einfalt, als er die Adresse betrachtete. ‚Teile die lebendigen Tauben auf der Sterblichkeitsliste durch die Anzahl der feinen Leute, die sie sich kaufen können, und wessen Anteil nimmt dieser Herr außer seinem eignen? Einem andern die Kutteln vom Munde zu entreißen, würde er verachten!‘
    Mit der unfreiwilligen Unterwürfigkeit, die so einer gehobenen Persönlichkeit zukam, legte Toby einen Zipfel seiner Schürze zwischen den Brief und seine Finger.
    „Seine Kinder“, sagte Trotty, und ein Schleier legte sich vor seine Augen, „seine Töchter – feine Herren werden ihre Herzen erobern und sie heiraten; sie können glückliche Ehefrauen und Mütter werden, sie können so hübsch sein wie mein Liebling Me…“
    Er konnte den Namen nicht zu Ende sprechen. Der letzte Buchstabe nahm in seiner Kehle die Ausmaße des ganzen Alphabets an.
    ,Macht nichts‘, dachte Trotty. ‚Ich weiß, was ich will. Es ist mehr als genug für mich.‘ Mit diesen trostreichen Gedanken trabte er weiter.
    An jenem Tag herrschte strenger Frost. Die Luft war erfrischend, scharf und klar. Die winterliche Sonne – obgleich noch zu schwach zum Erwärmen – blickte heiter auf das Eis hinab, das sie nicht schmelzen konnte, und entfaltete dort einen strahlenden Glanz. Zu einem anderen Zeitpunkt hätte Trotty aus der Wintersonne die Lehren eines armen Mannes gezogen, doch im Moment war er dazu nicht imstande.
    An diesem Tage war das Jahr alt. Das geduldige Jahr hatte die Vorwürfe und die schlechte Behandlung seiner Verleumder durchgestanden und getreulich sein Werk vollbracht. Frühling, Sommer, Herbst und Winter. Es hatte sich durch den vorherbestimmten Kreislauf gekämpft und legte nun sein müdes Haupt zum Sterben nieder. Selbst ausgeschlossen von Hoffnung, großem Antrieb und tätigem Glück, appellierte es bei seinem Untergang als Überbringer zahlreicher Freuden daran, seine mühevollen Tage und geduldigen Stunden nicht zu vergessen und es in Frieden sterben zu lassen. Trotty hätte mit dem dahinschwindenden Jahr einen Vergleich ziehen können, aber im Moment war er dazu nicht imstande.
    Nur er nicht? Oder ist ein solcher Appell jemals von siebzig Jahren zugleich an den Kopf eines englischen Arbeiters gerichtet worden, und dann vergeblich?
    In den Straßen herrschte ein buntes Treiben, und die Geschäfte waren prächtig dekoriert. Das neue Jahr wurde – ebenso wie ein kindlicher Thronfolger – von der ganzen Welt mit Willkommensgrüßen, Geschenken und Lustbarkeiten erwartet. Es gab zum neuen Jahr Bücher und Spielsachen, funkelndes Flitterwerk, Kleider, glückliche Prophezeiungen und neuartige Erfindungen, das kommende Jahr zu verkürzen. Sein Leben wurde in Almanachs und Taschenbüchern verpackt: das Aufgehen des Mondes und der Sterne, die Gezeiten – alles war von vornherein bekannt; die Jahreszeiten waren auf Tag und Nacht mit solcher Genauigkeit berechnet, wie Mr. Filer Summen in Männer und Frauen umrechnen konnte.
    Das neue Jahr, das neue Jahr. Überall das neue Jahr! Das alte Jahr wurde bereits für tot angesehen, und seine Hinterlassenschaft wurde billig verkauft wie die eines ertrunkenen Seemannes an Bord. Seine Pläne gehörten eben dem vergangenen Jahr an und wurden als Opfer dargebracht, ehe sein Atem ausgehaucht war. Seine Schätze waren nur noch Plunder neben den Reichtümern des ungeborenen Nachfolgers.
    Trotty dachte weder an das alte noch an das neue Jahr.
    „Schluß mit ihnen, Schluß mit ihnen! Fakten und Zahlen, Fakten und Zahlen! Die guten alten Zeiten, die guten alten Zeiten! Schluß mit ihnen, Schluß mit ihnen!“ In diesem Rhythmus ging sein Trab und würde sich auch keinem anderen anpassen.
    Doch dieser – so traurig er auch war – brachte ihn zur rechten Zeit ans Ziel seiner Reise, an die Villa von Sir Joseph Bowley, Mitglied des Parlaments.
    Die Tür wurde von einem Portier geöffnet. Und was für einem Portier! Keinem von Tobys Sorte. Ganz etwas anderes. Mit seinem Platz hatte er allerdings das große Los gezogen.
    Der Portier mußte ein paarmal kräftig Luft holen, ehe er sprechen konnte. Er war nämlich außer Atem gekommen, weil er sich unbedacht von seinem Stuhl erhoben hatte, ohne sich zuerst die Zeit genommen zu haben, darüber

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