Alle Weihnachtserzählungen
denken anders darüber.“
„Ich bin der Freund des armen Mannes“, bemerkte Sir Joseph und blickte rasch zu dem anwesenden armen Mann hinüber. „Deswegen mag ich verspottet werden. Deswegen bin ich schon verspottet worden. Aber einen anderen Namen möchte ich gar nicht haben.“
,Gott segne diesen edlen Herrn!‘ dachte Trotty.
„Hierin zum Beispiel stimme ich mit Cute nicht überein“, sagte Sir Joseph und zeigte den Brief vor. „Ich stimme nicht mit Filers Partei überein. Ich stimme mit gar keiner Partei überein. Mein Freund, der arme Mann, hat damit nichts zu tun, und keiner von denen hat etwas mit ihm zu tun. In meinem Bezirk ist mein Freund, der arme Mann, meine Angelegenheit. Kein Mensch und keine Körperschaft hat das Recht, sich zwischen meinen Freund und mich zu stellen. Diesen Standpunkt vertrete ich. Ich habe ein – ein väterliches Verhältnis zu meinem Freund. Ich sage: ‚Mein lieber Freund, ich möchte dich väterlich behandeln.‘“
Toby lauschte mit großem Ernst und begann sich behaglicher zu fühlen.
„Mein lieber Freund“, fuhr Sir Joseph fort und betrachtete Toby geistesabwesend, „du hast einzig und allein mit mir zu tun. Du brauchst dich nicht zu bemühen, über irgend etwas nachzudenken. Ich werde für dich denken. Ich weiß, was für dich gut ist. Ich bin dein ständiger Vormund. Das ist das Walten der weisen Vorsehung! Nun, der Zweck deiner Erschaffung ist der, daß du nicht deine Vergnügungen mit Fressen und Saufen verknüpfst (Toby dachte reumütig an die Kutteln), sondern daß du die Würde der Arbeit empfindest. Gehe aufrecht an die freundliche Morgenluft und – und verweile dort. Führe ein strenges und enthaltsames Leben; sei ehrfürchtig; übe dich in Selbstverleugnung; bringe deine Familie mit fast gar nichts durch; zahle deine Miete so regelmäßig, wie die Uhr schlägt; sei pünktlich in deinen Geschäftsangelegenheiten (ich bin dir ein gutes Vorbild; du wirst Mr. Fish, meinen Privatsekretär, stets mit einer Kasse vorfinden); und du kannst dich mir als deinem Freund und Vater anvertrauen.“
„Wirklich nette Kinder, Sir Joseph!“ sagte die Lady erschauernd. „Rheumatismus und Fieber, krumme Beine und Asthma und alle Arten des Schreckens!“
„Meine liebe Lady“, erwiderte Sir Joseph feierlich, „nicht umsonst bin ich der Freund und Vater des armen Mannes. Nicht umsonst soll er an meiner Hand Mut bekommen. An jedem Quartalstag wird er mit Mr. Fish in Verbindung treten. An jedem Neujahrstag werden meine Freunde und ich auf sein Wohl trinken. Einmal jährlich werden meine Freunde und ich eine herzliche Rede für ihn halten. Einmal in seinem Leben wird er vielleicht in aller Öffentlichkeit und im Beisein des Adels eine ‚Kleinigkeit von einem Freund‘ erhalten. Und wenn er dann, nicht mehr von diesen Anreizen und von der Würde der Arbeit aufrechtgehalten, in sein bequemes Grab sinkt, meine Gnädigste …“, hierbei schneuzte sich Sir Joseph, „werde ich unter den gleichen Bedingungen – seinen Kindern – ein Freund und Vater sein.“
Toby war stark beeindruckt.
„Oh! Du hast eine dankbare Familie, Sir Joseph!“ rief seine Frau.
„Meine Gnädigste“, sagte Sir Joseph majestätisch, „Undankbarkeit ist als die Sünde dieser Klasse bekannt. Ich erwarte nichts anderes.“
,Aha! Schlecht auf die Welt gekommen!‘ dachte Toby. ‚Nichts rührt uns.‘
„Ich tue alles menschenmögliche“, fuhr Sir Joseph fort. „Ich erfülle meine Pflicht als Freund und Vater des armen Mannes, und ich versuche, seinen Geist zu erziehen, indem ich ihm bei jeder Gelegenheit die eine großartige Morallehre einpräge, die diese Klasse benötigt. Das heißt: vollkommene Abhängigkeit von mir. Sie haben nichts mit sich selbst zu tun. Wenn ihnen gottlose und hinterhältige Leute etwas anderes erzählen und sie ungeduldig und unzufrieden werden und sich der Aufsässigkeit und boshaften Undankbarkeit schuldig machen – was zweifellos der Fall sein wird –, bin ich dennoch ihr Freund und Vater. So ist es bestimmt. Es liegt in der Natur der Sache.“
Mit dieser Gefühlsregung öffnete er den Brief des Stadtrates und las ihn.
„Sehr höflich und aufmerksam, das will ich meinen“, rief Sir Joseph aus. „Meine Gnädigste, der Stadtrat ist so entgegenkommend, mich daran zu erinnern, daß er ‚die außerordentliche Ehre‘ gehabt habe – er ist sehr gut –, mir im Hause unseres gemeinsamen Freundes, des Bankiers Deedles, zu begegnen, und er tut mir den Gefallen
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