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Alle Zeit - Roman

Alle Zeit - Roman

Titel: Alle Zeit - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathrin Gerlof
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Mützen. Hast du
     keinen Schal?
    Klara guckt angestrengt und fängt an, ein bisschen zu schielen. Aaron lächelt und sucht einfach das ganze Zimmer ab. So etwas
     geht schnell, schließlich sind all diese Zimmer, in denen sie bis ans Ende ihrer Tage sein werden, absolut überschaubar. Er
     findet den Schal am Fußende des Bettes.
    Klara ist inzwischen angezogen.
    Jetzt müssen wir das Gleiche noch mit mir machen, sagt Aaron und nimmt Klara wieder an die Hand, drückt und schiebt und geleitet
     und dirigiert sie ein Stockwerk höher in sein Zimmer. Als er angezogen ist, stellt er sich mit Klara vor den Spiegel, der
     am Kleiderschrank befestigt und so groß wie eine halbe Tür ist. Wir sehen aus wie ein nettes altes Ehepaar, findest du nicht?
    Klara findet nicht, sie kann sich noch nicht an Aaron gewöhnen. Weil Franz wieder in ihrem Kopf ist. Aber nett, da hat Aaron
     recht, sehen sie beide schon aus. Ein bisschen verwegen sogar. Wie Aaron seinen Schal um den dünnen Hals drapiert hat. Wie
     das Phantom der Oper. Jetzt ist Klara wieder völlig verblüfft über ihren Kopf. Das Phantom der Oper. Hat sie bestimmt nie
     gesehen oder gehört. Vielleicht was drüber gelesen.
    Du siehst aus, sagt sie zu Aaron, um ihr Wissen auszuprobieren, wie das Phantom der Oper.
    Er lächelt. Ich sehe aus wie ein reicher alter Jude. Er bringt Klara und sich zum Ausgang und durch die große Glastür und
     auf den Weg zum Park. Es ist sehr kalt. Klara steckt ihre Hände in die Taschen des dicken Mantels und fühlt Aarons Hand an
     ihrem Ellenbogen und wie er sie sanft mit dieser Hand in die hoffentlich richtige Richtung schiebt. Das gefällt ihr sehr gut.
     So hat es Franz auch gemacht in ihren besseren Jahren. Immer weg vom Bordstein die Frau und leicht geschoben und dirigiert.
    Spielst du Schach, fragt Klara, und bei dem Wort Schach entsteht vor ihrem Altfrauenmund eine weiße kalte Wolke.
    Ich müsste sehen, ob dieser Teil meines Hirns noch funktioniert. Wir können es gern probieren, Klara. Wo willst du hin im
     Park?
    An den kleinen Teich. Ich muss jemanden finden. Ein Mädchen mit grünen Haaren und einem Bauch.
    Einem Bauch. Wie meiner oder deiner?
    Klara lächelt und hat das Gefühl, gleich wieder aus dem Leben zu fallen. Er war dick der Bauch, sehr dick, und ich habe.
    Die ersten Tränen tropfen ihr aus den Augen. Wenn sie in diesen Augenblicken noch ein bisschen denken kann, wundert sie sich
     immer, dass die Tränen fließen, als sei sie in Trauer. Tränen sind das sicherste Zeichen dafür, dass sie gleich anfangen wird
     zu brabbeln und zu sabbern. Klara dreht sich von Aaron weg und läuft mit schnellen Tippelschritten in die entgegengesetzte
     Richtung. Aber sie ist nicht schnell genug, Aaron hat heute wirklich seine beste Form gefunden. Er fängt sie ein und ab und
     nimmt sie am Arm und drückt und schiebt und geleitet sie zu einem kleinen Café am Teich. Das ist offen, aber leer. Ganz und
     gar. Nur eine etwas krank aussehende Kellnerin steht am Tresen und schaut die beiden Alten verwundert an, die da ins Haus
     schneien. Erst vor einer Minute hat sie die Türaufgeschlossen, pünktlich, wie es der Geschäftsführer verlangt. Aber noch nie ist im Winter gleich ein Gast erschienen. Nicht
     mal an einem sonnigen Tag.
    Und sie sieht auch gleich das Dilemma. Der Alte macht ja noch einen ganz fitten Eindruck, aber sie ist nicht mehr von hier.
     Wird geschoben und platziert, als hätte sie gar keinen Verstand. Dann lächelt der Alte in ihre Richtung.
    Die Kellnerin nimmt zwei Karten, ein bisschen Anstand muss sein, auch wenn eine Karte wahrscheinlich ausreichen würde, und
     geht zum Tisch.
    Guten Tag, meine Liebe, es ist schön, dass Sie schon aufhaben. Meine. Frau hier brauchte dringend eine kleine Pause.
    Ja, denkt die Kellnerin, sie sieht aus, als stünde sie kurz vor der ganz großen. Und dann ärgert sie sich über diese gedachte
     Grobheit und lächelt dem Alten freundlich zu, als Wiedergutmachung sozusagen. Der fängt an, die ganze Karte laut und deutlich
     vorzulesen und Empfehlungen abzugeben, als sei die Frau bei Sinnen. Nach fünf Minuten schlägt er die Karte zu und winkt und
     bestellt zwei Kännchen Tee und zwei Stück Käsetorte. Die sind schnell gebracht, und die Kellnerin schaut im Schutz des Tresens
     zu, wie der Alte die Situation meistert. Immer im Wechsel nimmt er ein Schlückchen und ein Stück vom Kuchen, legt seine Gabel
     hin, um seiner Frau ein Schlückchen Tee einzuflößen und ein Stück vom Kuchen in

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