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Allein auf Wolke Sieben

Allein auf Wolke Sieben

Titel: Allein auf Wolke Sieben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Voosen Jana
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abnimmt.
    »Das sind unsere Passiermarken«, erklärt er, während ich eine Karte hervorziehe.
    »Harald Klose, Alter: 98, Adresse: Seniorenheim Liliental, Hamburg, Todesursache: Herzversagen«, steht darauf in goldenen Buchstaben eingestanzt.
    »98 Jahre«, sagt Theo anerkennend und pfeift leise durch die Zähne. »Alle Achtung. Siehst du, das wird ein Pappenstiel. Und weit haben wir es auch nicht, komm mit!« Verwirrt sehe ich ihm hinterher, wie er zielstrebig über die Wolkendecke davonmarschiert. Wie kommen wir eigentlich runter auf die Erde? Zum zweiten Mal an diesem Tag ärgere ich mich, dass ich nicht einmal einen Blick in das R.A.B.S.E. geworfen habe. Dann wäre ich jetzt schlauer. Ich traue mich aber nicht, meinem Vorgesetzten meine Ahnungslosigkeit einzugestehen und folge ihm daher schweigend.
     
    Wenige Minuten später stehen wir vor einem runden Holzhäuschen, an dessen Tür ein freundlich aussehender Mann in dunkelblauer Uniform die Helfer einen nach dem anderen passieren lässt.
    »Dies ist die nächstgelegene Abflugstation, sie trägt die Nummer 723B13«, erläutert Theo, während wir uns anstellen. Es geht ziemlich schnell voran, bedeutend schneller jedenfalls als in der Schlange bei »Soulflow«, und schon bald sind wir an der Reihe.
    »Guten Morgen, guten Morgen«, wünscht der Portier freundlich. »Ah, ein neues Gesicht, wie schön. Paul ist mein Name!«

    »Lena«, stelle ich mich meinerseits vor, während Theo Paul seine Passiermarke reicht und im Gegenzug zwei silberne erhält.
    »Damit kommen wir wieder zurück«, erklärt er mir und hält die Silbermünzen in der ausgestreckten Rechten.
    »Du und Harald Klose«, nicke ich verstehend und reiche Paul meine Münze.
    »Holst du auch schon jemanden ab?«, erkundigt er sich, doch ich schüttele den Kopf.
    »Nein, ich bin noch in der Ausbildung.«
    »Dann viel Spaß«, wünscht er fröhlich, während er mir meine Silbermarke in die Hand drückt.
    »Ja, danke«, sage ich mit sarkastischem Unterton und folge Theo in das Holzhäuschen, das im Inneren ganz mit dunkelrotem Samt ausgekleidet ist.
    »Hier war ich doch schon mal«, erinnere ich mich plötzlich und mein Begleiter nickt.
    »Natürlich. Auf diesem Wege sind wir natürlich auch angekommen. Aber du warst ein bisschen neben der Spur, wenn ich mich recht erinnere.«
    »Ein bisschen ist gut«, unke ich.
    »Dann wollen wir mal«, fordert Theo mich auf. Schließlich hat er auch nicht die allerbesten Erinnerungen an meine Ankunft. »Du weißt Bescheid?«
    »Nein«, muss ich beschämt zugeben, was mir ein rügendes Kopfschütteln einbringt. »Tut mir leid«, hauche ich.
    »Nun gut, dann werde ich dich anleiten«, seufzt er. »Schließ deine Augen und entspann dich.« Gehorsam klappe ich die Lider herunter, aber sofort erscheint das Bild von Michael und Julia vor mir. Wie soll ich mich dabei entspannen? »Du bist kein bisschen entspannt«, stellt
Theo unzufrieden fest und ich öffne mein rechtes Auge wieder einen Spalt weit.
    »Ich tue mein Bestes«, sage ich trotzig.
    »Augen zu. Atme tief durch. Stell dir vor, du stehst in einem Fahrstuhl, der von hier oben bis in das Seniorenheim Liliental reicht.«
    »Aber ich weiß doch gar nicht, wie es dort aussieht«, werfe ich ein.
    »Das macht nichts. Stell es dir einfach vor. Mit einem großen Schild davor, auf dem Liliental steht. Entspann dich. Sieh dich selbst in diesem Aufzug.« Ich bemühe mich redlich, mir einen Fahrstuhl vorzustellen, einen aus Glas, wie ich ihn schon mal in einem schicken Hotel gesehen habe, mit silbernen Knöpfen und einem uniformierten Mann, der den ganzen Tag nichts anderes tut, als die Gäste hinauf- und hinunterzubegleiten. Es war das Wochenende in Paris, wo Michael mir den Heiratsantrag gemacht hat. Ich sehe ihn ganz deutlich vor mir, seine hellbraunen Augen mit den unverschämt langen Wimpern, die zerzausten, dunkelblonden Haare. »Die Türen des Aufzugs schließen sich lautlos und die Fahrt geht abwärts«, höre ich Theos Stimme wie aus weiter Ferne. »Du sinkst tiefer und tiefer.« Ich spüre Michaels schmalen, heißen Nacken unter meiner Handfläche, während ich ihn mit beiden Armen umschlinge, seine Lippen pressen sich auf meine. »Zwölf, elf, zehn, du sinkst immer tiefer …« Wir liegen gemeinsam in unserem breiten Bett in meiner Lieblingswäsche aus dunkelrotem Satin. »… sieben, immer tiefer, sechs, fünf …« Ich spüre die Wärme seines Körpers, seine Brusthaare kitzeln mich. »…drei, zwei, eins.« Ich spüre

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