Allein auf Wolke Sieben
hätte Topmodel werden können. Wann hat man schon mal die Chance auf ein solches Leben? Um die Welt reisen, eine Menge Geld verdienen, mit den schönsten Männern schlafen …«
»…wie ein Stück Fleisch behandelt werden, mit drei ßig abgemeldet sein, ein Kind von einem alternden Playboy kriegen und dann verlassen werden, von Zigaretten und Mineralwasser leben«, ergänze ich und sie grinst mich schief an.
»Auch wieder wahr. Ein Leben ohne Schokolade ist eigentlich kein richtiges Leben.«
Gemeinsam treten wir hinaus in den Krankenhauspark. Das warme Wetter hat einige Patienten nach draußen gelockt, die jetzt in ihren Bademänteln auf den grün lackierten Bänken sitzen oder ihren Tropfhalter mit unsicheren Schrittchen spazieren fahren. Ein Ausdruck von Sehnsucht tritt in Anastasias Augen.
»Ich vermisse das Leben«, sagt sie leise, »du nicht?« Nachdenklich sehe ich mich um und stelle mir vor, wie es ist, mit nackten Füßen über den Kiesweg zu laufen, die von der Sonne aufgewärmten Steine unter den Sohlen zu spüren, die Nase in eine der frisch erblühten Rosen zu stecken, eine eisgekühlte Cola zu trinken, die so kalt ist, dass es in der Stirn schmerzt.
»Doch«, antworte ich wahrheitsgemäß.
»Scheiß auf den Papierkram, ich komme wieder«, sagt Anastasia bestimmt. »Wenn du willst, können wir gemeinsam zu ›Reincarnation‹ gehen, sobald wir wieder oben sind. Es ist wirklich lästig, sich durch die ganzen Formulare durchzuarbeiten, wenn man keine Ahnung davon hat. Aber ich weiß ja jetzt, wie es geht. Ich könnte dir helfen«, bietet sie mir an und ich bin ganz gerührt.
»Das ist nett von dir, vielen Dank. Aber ich will noch nicht zurück.«
»Nicht?« Überrascht sieht sie mich an. »Aber warum denn nur?«
»Ach, das ist eine lange Geschichte«, winke ich ab.
»Wenn du meinst. Können wir denn dann? Wie war das noch? Hast du meine Passiermünze dabei?«
»Natürlich.« Ich reiche sie ihr und sie betrachtet sie interessiert.
»Ah, Abflugstation 723B13. Das ist nur zwei von meiner bisherigen Wohnung entfernt. Ob sie noch da ist?«
»Keine Ahnung«, gebe ich achselzuckend zurück. Wer weiß, ob in den letzten zehn Wochen ein Neuankömmling dort eingezogen ist? Vielleicht liegt in diesem Moment eine liebeskummerkranke Seele auf dem Fußboden von Anastasias Wohnung und wartet darauf, dass der Schmerz vorbeigeht. Beim Gedanken an diese schreckliche erste Zeit wird mir ganz komisch zumute. Gleichzeitig wird meine Sehnsucht nach Michael übermächtig. Nur noch zwei Tage, dann ist er endlich bei mir. Plötzlich wird mir bewusst, dass ich mich in diesem Moment ganz in seiner Nähe befinde. Kaum tausend Meter Luftlinie trennen mich von ihm, oder zumindest von unserer Wohnung.
»Also dann, lass uns aufbrechen«, fordert Anastasia, wirft einen prüfenden Blick auf die Sonne und seufzt. »Heute komme ich wahrscheinlich sowieso nicht mehr dran, die haben wirklich ganz merkwürdige Öffnungszeiten bei ›Reincarnation‹, das kann ich dir sagen. Aber ich könnte schon mal eine Nummer ziehen.«
»Würde es dir schrecklich viel ausmachen, wenn ich dich alleine hochschicken würde?«, frage ich verlegen und sie sieht mich überrascht an. »Nur wenn es dir nichts ausmacht«, füge ich schnell hinzu, »und nur wenn du dich sicher genug fühlst. Ich dachte nur, wenn du noch weißt, wie es geht …«
»Klar weiß ich das«, meint sie achselzuckend.
»Wäre es sehr viel verlangt?«, erkundige ich mich unsicher und sie schüttelt den Kopf.
»Überhaupt nicht.«
»Danke«, sage ich inbrünstig und sie nickt.
»Kein Problem.« Ein wenig unschlüssig stehen wir voreinander. Ich fühle mich wirklich nicht besonders gut dabei, sie jetzt so ganz alleine in den Himmel fahren zu lassen. Schließlich ist es mein Job, sie zu begleiten. »Mach dir keine Sorgen um mich«, lächelt sie, als hätte sie meine Gedanken erraten, »mir geht es gut.«
»Okay. Danke«, wiederhole ich und wende mich zum Gehen.
»Lena«, ruft sie mich zurück, »ich weiß nicht, was das für eine Sache ist, die du hier zu erledigen hast, aber ich habe das dumme Gefühl, dass es was mit einer Liebe aus deinem letzten Leben zu tun hat.« Ich spüre, wie meine Aura sich knallrot färbt und schlage die Augen nieder. »Das dachte ich mir«, fährt sie fort, »du musst natürlich tun, was du für richtig hältst, aber wenn ich dir einen Rat geben darf: Tu es nicht!« Damit schließt sie die Augen und entschwindet meinem Blick.
Einen
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