Allein auf Wolke Sieben
besucht habe. Wir werden es hier oben gemeinsam wunderschön haben! Beschwingt hüpfe ich aus dem Bett und öffne meinen
neuen Kleiderschrank. Gähnende Leere. Richtig, all meine Klamotten sind ja gestern mitsamt dem alten Schrank Marke Jugendherberge verschwunden. Macht nichts. Darum kümmere ich mich heute Abend. Ich werfe einen Blick aus dem Fenster. Der Morgen dämmert, die Wolken haben sich endlich verzogen. Es scheint ein schöner Tag zu werden und Gott mir also anscheinend nichts nachzutragen. Erleichtert wünsche ich mir ein leichtes, weißes Sommerkleid und flache Ballerinas in der gleichen Farbe. Während ich leichtfüßig durch meine Wohnung tänzele, fällt mir plötzlich der Streit mit meiner Großmutter wieder ein. Ich war wirklich nicht sehr nett zu ihr. Schließlich ist die Sache mit Samuel/Wolfgang Amadeus allein ihre Entscheidung. Und Opa Hinrich ist unten schließlich auch wieder verheiratet. Es muss furchtbar für Liesel gewesen sein, als sie davon erfahren hat.
Entschlossen laufe ich, immer zwei Stufen auf einmal nehmend, hoch in den ersten Stock und klopfe zaghaft an die Tür.
»Herein«, erklingt sofort Liesels Stimme von drinnen und ich trete ein. Sie sitzt in einem fließenden Morgenrock aus weißer Seide und mit geschlossenen Augen in ihrem Sessel und sieht aus wie eine Revuetänzerin aus den Dreißigerjahren kurz vor ihrem Auftritt. Aus der Stereoanlage erklingt klassische Musik. Ich würde mal vermuten: Mozart.
»Hallo«, sage ich und setze mein zerknirschtestes Gesicht auf. Sie hebt ein Augenlid.
»Ach, du. Mit dir möchte ich gerade nicht reden.«
»Das kann ich verstehen«, nicke ich reumütig.
»Dann sind wir uns ja einig.«
»Es tut mir leid.«
»Soso.«
»Ehrlich.«
»Zur Kenntnis genommen.« Ratlos stehe ich da. Was soll ich denn jetzt noch sagen? Ich fühle mich ganz elend.
»Du hattest Recht.« Sie öffnet jetzt auch das andere Auge und sieht mich streng an.
»Selbstverständlich hatte ich Recht. Das habe ich immer. Nun, jedenfalls meistens.« Plötzlich beginnt es um ihre Mundwinkel verdächtig zu zucken und dann lacht sie plötzlich vergnügt auf. Verdattert sehe ich sie an. »Nun mach doch nicht so ein Gesicht wie ein Schaf, wenn es donnert«, lacht sie und steht auf. »Ich verzeihe dir.«
»Wirklich?«, frage ich erleichtert und sie nickt.
»Natürlich. Meine Zeit ist mir viel zu schade, um sie mit Streit und schlechter Laune zu verbringen. Ein Grundsatz, den du dir vielleicht auch zu Herzen nehmen solltest.«
Da hat sie Recht, denke ich, während ich mich auf den Weg zur Arbeit mache und mich dabei an den unterschiedlichen Blautönen des Himmels erfreue. Eigentlich ist es ja doch ganz schön hier oben. Wunderschön. Michael wird es lieben. Gut gelaunt betrete ich wenig später die Hallen von »Soulflow« und stehe nach nur dreißig Minuten Wartezeit vor Thomas, der mich mitleidig ansieht.
»Hey du«, sagt er und ich strahle ihn an.
»Selber hey! Ist das nicht ein wunderschöner Morgen?«
»Äh, ja, stimmt«, antwortet er verwirrt und mustert mich eindringlich von Kopf bis Fuß. »Sag mal, geht es dir gut?«, fragt er besorgt. »Du siehst irgendwie so aus.«
»Wie sehe ich aus?«
»Na, als ob es dir gut ginge.« Der arme Mann scheint wirklich vollkommen irritiert zu sein.
»Danke«, lächele ich und streiche mir kokett über mein fließendes Seidenkleid. »Es geht mir auch gut.«
»Tatsächlich?«
»Ja.« In diesem Moment mischt sich ein hinter mir stehender Mann mit wuscheligem braunem Lockenkopf in unsere Unterhaltung.
»Ja, es geht ihr gut«, sagt er ironisch in Thomas’ Richtung, »und Ihnen geht es hoffentlich auch gut. Und ich weiß, mir geht es gut. Uns allen geht es gut. Können wir jetzt vielleicht weitermachen?«
»Natürlich, ja«, beeilt sich Thomas und greift nach einem Umschlag, den er mit einem Post-it gekennzeichnet hat, auf dem mein Name steht. »Würden Sie einen Schritt zurücktreten? Hinter die Linie bitte, danke!«
»Klar, wenn es Ihnen dann besser geht«, sagt mein Hintermann achselzuckend und wendet sich vorher noch mal an mich: »Ich heiße übrigens Leon und Sie sehen wirklich sehr gut aus!« Damit tritt er grinsend hinter die Linie. Thomas hält mir nun den Auftrag hin.
»Hier, ich habe dir was Einfaches rausgesucht für heute. Weil du gestern ja nicht in der allerbesten Verfassung warst.«
»Stimmt«, gebe ich zu, nehme den Umschlag entgegen und reiße ihn auf. »Aber ich habe mich wieder gefangen. Mir geht es
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