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Allein auf Wolke Sieben

Allein auf Wolke Sieben

Titel: Allein auf Wolke Sieben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Voosen Jana
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Moment lang stehe ich da und denke allen Ernstes darüber nach, ihren Rat zu beherzigen. Nicht in unsere Wohnung zu gehen, um Michael zu sehen. Wozu denn auch? So lange habe ich es jetzt ohne ihn ausgehalten, da werde ich die letzten achtundvierzig Stunden wohl auch überleben. Ich meine natürlich: überstehen. Wie auch immer. Und als ich das letzte Mal einen diesbezüglichen Tipp in den Wind geschlagen habe, war es ein Desaster. Monatelang habe ich Michaels Gesichtsausdruck nicht mehr aus dem Kopf bekommen. Es war furchtbar. Unschlüssig spiele ich mit der Passiermünze in meiner Tasche herum. Andererseits: Was soll denn
schon geschehen? Die Würfel sind gefallen. Michael wird sterben. Und wo ich schon einmal hier bin. Ohne es zu realisieren, habe ich mich bereits in Bewegung gesetzt und den Weg zu unserer Wohnung eingeschlagen.
     
    Ich laufe durch die schmalen, von Linden gesäumten Straßen unseres Stadtteiles, vorbei an unserem Lieblings-Portugiesen, der wie jeden Frühling ein paar wackelige Stühle und Tische vor seinem Café aufgestellt hat, auf denen einige Studenten ihren Milchkaffee genießen. Ich beschleunige meine Schritte und stehe schließlich vor dem vierstöckigen Altbau, in dem sich unsere Wohnung befindet. Mein Blick gleitet über die weißgetünchte Fassade. Anscheinend hat sich Herr Blender, der Eigentümer, irgendwann in den letzten Jahren endlich ein Herz gefasst und dem arg ramponierten Gebäude einen neuen Anstrich verpassen lassen. Ich trete durch die geschlossene Haustüre in das Treppenhaus und steige die durchgetretenen Stufen hinauf in den ersten Stock. So weit ging der Anfall von Großzügigkeit also doch nicht, denke ich kopfschüttelnd und mache einen großen Schritt über die kaputte oberste Stufe, bevor ich realisiere, dass ich mir weder Hals noch Fuß brechen würde, wenn ich darauf träte. Dann trete ich durch unsere weißlackierte Wohnungstür in den Flur. Ob die Menschen sich wohl anders verhalten würden, wenn sie wüssten, dass jederzeit eine Seele bei ihnen zu Hause hineinspazieren kann? Vermutlich besser, dass sie es nicht wissen. Ich stehe in unserem langgezogenen Flur mit dem Holzfußboden und lausche angestrengt. Aber in der Wohnung ist alles still. Schade. Obwohl mir mein Verstand sagt, dass Michael um diese Uhrzeit selbstverständlich
im Büro ist, bin ich enttäuscht. Ich hatte gehofft, dass er da ist. Vielleicht, wenn ich ein wenig herumtrödele? Ich wandere durch die Wohnung, in der sich einiges getan hat. Bewundernd bleibe ich vor einem mannshohen Spiegel mit verschnörkeltem Goldrahmen stehen, natürlich ohne mich darin sehen zu können. Aber der Spiegel an sich ist auch ein Anblick! Wo er den wohl aufgetrieben hat? Im Wohnzimmer ist die dem breiten roten Sofa gegenüberliegende Wand in derselben Farbe gestrichen worden, was ich eine ganz tolle Idee finde. Da hätte ich auch drauf kommen können. Ansonsten ist alles wie immer, nur der große Fernseher ist verschwunden. An seiner Stelle hängt eine riesige Leinwand von der Decke. Auf der anderen Seite entdecke ich auf einem Regalbrett einen Beamer. Toll, Kino für zu Hause. Das gab es zu meinen Lebzeiten noch nicht. Der technische Fortschritt hier unten ist anscheinend nicht aufzuhalten. Auf dem schwarz lackierten Klavier entdecke ich Michaels Lieblingsfoto von mir in einem silbernen Rahmen. Versonnen betrachte ich mein lachendes, von dunklen Haaren umrahmtes Gesicht. Achtundzwanzig muss ich gewesen sein, als dieses Bild aufgenommen wurde. Ein Jahr später bin ich gestorben. Heute wäre ich, du liebe Güte, fünfunddreißig. Wie die Zeit vergeht. Vermutlich hätte ich schon die ersten Fältchen unter den Augen und würde mich wahnsinnig darüber aufregen. Älterwerden war mir immer ein Gräuel. Wenn ich mir mal Gedanken darüber gemacht hätte, was die Alternative zum Älterwerden ist, nämlich jung sterben, hätte ich meine Einstellung vielleicht geändert. Kopfschüttelnd setze ich meine Wohnungsbesichtigung fort und betrete neugierig das Schlafzimmer. An der
Stelle unseres weißen Bettes mit dem geschwungenen Gitter am Kopfteil steht ein dunkelbraunes Holzgestell. Und die champagnerfarbene Satinwäsche kenne ich auch nicht. Aber sie gefällt mir. Zugegebenermaßen muss ich einen Moment lang verdauen, dass Michael unser Bett weggegeben hat. »Warum denn nicht? Ich bin tot«, rufe ich mich selbst zur Ordnung. Im selben Moment höre ich das Geräusch eines Schlüssels im Türschloss. Ohne mich weiter um das fremde

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