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Allein auf Wolke Sieben

Allein auf Wolke Sieben

Titel: Allein auf Wolke Sieben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Voosen Jana
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leicht dicklicher Jüngling mit dürftig sprießender Gesichtsbehaarung sieht tatsächlich aus, als hätte man ihn aus der Sauciere gezogen.
    »Zieh dir eine neue Schürze an, Johann«, wird er da auch gleich von seinem Chef angepflaumt, »und wo sind meine Kartoffelspäne?«
    »Wollte sie gerade schälen, Herr Küster!« Wie zum Beweis hält er eine der Knollen hoch, an der noch Spuren von Erde kleben.
    »Du wolltest sie schälen? Die sind ja noch nicht mal gewaschen«, regt Küster sich auf und ringt die Hände.
    »Genau, das wollte ich auch noch tun«, strahlt Johann und nickt so heftig mit dem Kopf, dass ihm um ein Haar die Kochmütze in eine Pfanne mit brodelndem Öl fliegt. »Hoppla, das war knapp.« Von der schlechten Laune seines Chefs lässt er sich jedenfalls die eigene nicht verderben. Bewundernswert, denke ich bei mir, während ich fasziniert beobachte, wie sich Herrn Küsters Hals über dem weißen Kragen puterrot färbt.
    »Was stehst du hier noch rum?«, blökt er. »Ich brauche die Kartoffelnester jetzt. Nein, ich brauche sie vor fünf Minuten. Besser vor zehn Minuten.« An dem ratlosen Gesichtsausdruck seines Schützlings ist klar zu erkennen,
dass er diese Art von Wortwitz nicht versteht. Stattdessen fragt er: »Soll ich vorher noch die Schürze wechseln, Boss?« Die Schlagader an dessen Stirn beginnt gefährlich zu puckern, sein Gesicht läuft rot an und er ringt empört nach Luft. Wenn der sich nicht gleich wieder einkriegt, bekommt er noch einen Herzanfall und kann dann gleich mit uns nach oben kommen. Nun wird eine der anderen Küchenangestellten, die gerade mit einem riesigen Messer frischen Bärlauch hackt, aufmerksam und kommt hinzu. Unter ihrer Mütze lugt eine feuerrote Haarsträhne hervor, die sie eilig zur Seite streicht, während sie Johann mit der anderen Hand die Kartoffel aus der Hand nimmt.
    »Zieh dich um, ich mache das schon. Ein bisschen plötzlich«, hilft sie ihm auf die Sprünge und er macht, dass er wegkommt. Ahnungsvoll sehe ich ihm hinterher, denn ich werde das Gefühl nicht los, dass der Junge etwas mit den Nüssen in Michaels Essen zu tun haben wird.
    »Haben Sie etwa nichts zu tun, Christiane?«, blafft Herr Küster, doch sie sieht ihn nur friedfertig an und sagt: »Möchten Sie die Kartoffeln haben oder nicht?« Damit hat sie ihm eindeutig den Wind aus den Segeln genommen, denn er nickt grummelnd.
    »Gut, in Ordnung.«
    »Na also!« Kurze Zeit später reicht sie ihrem Chef eine Schüssel voll fein geschnittener Kartoffelspäne, die selbst unter seinem strengen Auge zu bestehen scheinen.
    »Nun gut«, murrt er und kippt sie mit Schwung in das siedende Öl. »Dieser Junge bringt mich noch ins Grab.«
    »Sie nicht, aber möglicherweise einen Ihrer Gäste«,
sage ich eindringlich. »Sie sollten wirklich ein Auge auf ihn haben!«
    »Er ist einfach noch sehr jung und das ist alles neu für ihn.«
    »Neu? Er arbeitet doch schon seit über einer Woche hier und er ist die lahmste Schnecke, die mir je untergekommen ist.«
    »Aber ein bisschen was hat er schon gelernt, das müssen Sie zugeben!«
    »Stimmt«, gibt er höhnisch zurück, »er hat sich in den letzten zwei Tagen nicht ein einziges Mal selbst in Brand gesteckt.«
    »Und auch niemand anderen!« Die legt sich ja wirklich ganz schön ins Zeug für ihn, und gleich darauf erfahre ich auch, warum.
    »Wenn er nicht Ihr Bruder wäre, hätte ich ihn längst rausgeworfen, das ist Ihnen hoffentlich klar.«
    »Rausgeworfen? Sie können doch einen Schulpraktikanten nicht rauswerfen«, kommt es schockiert zurück.
    »Sie haben ja keine Ahnung, was ich alles kann. Wenn ich bis nach dem Wochenende keine merkliche Besserung feststellen kann, dann bleibt mir nichts anderes übrig, als …«
    »So lange sollten Sie auf keinen Fall warten«, rufe ich aus und trete an ihn heran. »Schmeißen Sie ihn sofort raus, bevor es zu spät ist.«
    »Bitte nicht«, sagt Christiane und ihre schönen, braunen Kulleraugen schimmern plötzlich feucht. Das ist unfair. Sie kämpft mit unlauteren Mitteln, während ich selber nicht einmal eine hörbare Stimme zur Verfügung habe. »Was sollen denn seine Freunde sagen?«

    »Fangen Sie bloß nicht an zu heulen«, sagt Küster in rüdem Tonfall, aber ganz offensichtlich lassen ihn die Tränen nicht unberührt. So ein Mist. »Noch habe ich es ja schließlich nicht getan.«
    »Er gibt sich die größte Mühe. Lassen Sie ihn seine drei Wochen machen. Umso sicherer wird er hinterher sein, dass Koch nicht der

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