Allein die Angst
wünschen übrig, dachte Suzy nicht zum ersten Mal.
»Nein, James. Er ist mit Henry schwimmen gegangen. Ich erwarte sie eigentlich jeden Moment zurück …«
Ihr Schwiegervater stieß ein eigenartiges Schnauben aus, ein Zwischending aus Wiehern und Grunzen; sie hatte lange gebraucht, um sich daran zu gewöhnen.
»Kannst du Jeremy etwas ausrichten? Für nächsten Dienstag habe ich im Club einen Tisch zum Lunch reserviert, um eins, für unser Meeting.«
Was für ein Meeting? Suzy dachte rasch nach. Warum begnügte er sich nicht damit, »zum Lunch« zu sagen? Wie viele Fragen konnte sie ihrem Schwiegervater stellen, ohne allzu misstrauisch zu erscheinen?
»Nur für euch zwei?«, fragte sie dann möglichst beiläufig.
Er wiederholte das eigenartige Geräusch, eine Art überlautes Räuspern. James Howard war es nicht gewöhnt, sich ausfragen zu lassen, ganz gewiss nicht von einer jungen Amerikanerin, Schwiegertochter hin oder her.
»Jeremy weiß Bescheid«, erwiderte er. »Teile ihm bitte mit, dass Michael Roachley zugesagt hat. Vergiss nicht, ihm das auszurichten, ja? Guten Abend«, verabschiedete er sich umstandslos. Und legte auf.
»Ja, James, die Zwillinge würden Grandpa wahnsinnig gern Hallo sagen – ich hol sie gleich«, zwitscherte Suzy in die tote Leitung. »Und wie geht’s Diana? Freut ihr euch auf euren Südafrika-Trip?« Sie legte den Hörer hin, setzte sich auf die Treppe und biss in den Daumennagel. Wer war Michael Roachley? Ein Scheidungsanwalt und alter Busenfreund von James?
Sie marschierte in die Küche »Los, Jungs«, sagte sie. »Zeit zum Baden.«
Sie nahm die pummligen Kleinen hoch, klemmte einen links, einen rechts unter den Arm und ging rasch die Treppe hinauf. Im Bad zog sie sie behutsam aus und setzte sie zusammen in die Wanne, und als sie sich unter großem Gekicher gegenseitig Schaum auf die Köpfe patschten, ging sie hinaus. Sie ließ die Badtür offen, rannte in Jez’ Büro hinauf und setzte sich an seinen Computer. Sein Schreibtisch war wie üblich aufgeräumt; die dicken Großbuchstaben auf den Post-its, die an der Tastatur klebten, sollten ihn vermutlich an bestimmte Dinge erinnern, die er beim Heimkommen erledigen wollte. Sasha oder SW , ihre Initialen, bemerkte Suzy jedoch nirgendwo.
Sie rüttelte an der Maus, und der Bildschirm wurde blau. Nervös rief sie eine Suchmaschine auf – Jez hasste es, wenn sie seinen Computer benutzte; sie tippte schnell »Michael Roachley« in die Maske, sprang dann auf, lief zur offenen Tür und lauschte, ob die Zwillinge drunten immer noch vergnügt quiekten und planschten.
Die erste, flüchtige Suche ergab wenig Interessantes, nur ein paar Genealogie-Seiten mit Sir Michael Roachleys ab dem 19 . Jahrhundert.
Stirnrunzelnd machte Suzy einen zweiten Versuch, fügte nach dem Namen noch den Begriff »Anwalt« ein, wieder ohne Erfolg. Beim dritten Mal gab sie auch noch James’ Namen ein. Wieder nichts.
Vielleicht schrieb sie den Namen falsch? Rasch sah sie noch einmal nach den Zwillingen und versuchte es dann wieder: Rochley. Rokesley. Roshley. Roachleigh. Auch das ergab nichts Aufschlussreiches.
Zu spät hörte sie die schweren Schritte auf der Treppe. Sie schwang herum, mit der einen Hand verzweifelt nach der Maus tastend. Jez stand in der Tür. Sein Blick heftete sich sofort auf die Website der Suchmaschine; Suzy war es gerade noch gelungen, die Suchergebnisse zu löschen.
»Warum sind die Zwillinge allein im Bad?«, fragte er barsch.
»Sie sind nicht allein im Bad, alle paar Sekunden schaue ich nach ihnen«, erwiderte sie scharf, aber mit geröteten Wangen, weil er sie ertappt hatte. »Peter hat einen Ausschlag, und ich habe im Internet nach den Symptomen gesucht. Wo habt ihr denn gesteckt? Ich habe mir schon Sorgen gemacht.«
»Was soll das heißen, ›wo haben wir gesteckt‹? Ich hab’s dir doch gesagt. Ich war mit Henry im Schwimmbad, und dann sind wir was essen gegangen.« Jez spähte wieder über ihre Schulter zum PC .
Unten ertönte Gekreisch, als Henry ins Bad kam.
»Henry!«, rief Suzy und rannte an Jez vorbei, froh, dass sie mit gutem Grund vor ihm flüchten konnte. Sie hörte, wie Henry unten seine Brüder triezte, hörte ihm an, wie überdreht er war. Dass er und Jez alleine etwas unternahmen, kam so selten vor, dass er sicher vor Aufregung hyperventiliert hatte. Sie würde Stunden brauchen, um ihn ins Bett zu bringen.
Als sie ins Bad kam, richtete Henry den Strahl einer Wasserpistole auf Otto; seine dunklen Augen
Weitere Kostenlose Bücher