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Allein die Angst

Allein die Angst

Titel: Allein die Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Louise Millar
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seit Samstag viel Tee gekocht, aber dass die Kanne fehlte, war Allen immer noch nicht aufgefallen. Als das Wasser kochte, sah Debs sich in der Küche nach einem Becher um. Wo waren die denn alle abgeblieben?
    Der Geschirrspüler, den die Hendersons dagelassen hatten, starrte sie an.
    Sie machte ihn auf und fand darin alle sechs Becher und das ganze Geschirr von gestern Abend, sauber gespült. Allen hatte die Maschine noch laufen lassen. Wie ungewohnt. So viele Jahre lang hatten nur ihr Teller, ihre Tasse und ihr Besteck ordentlich auf der Abtropfe gestanden. Sie hatte keine Ahnung, wie sie damit zurechtkommen würde, wenn sie Allens und ihr benutztes Geschirr regelmäßig in die weite Höhle dieser Maschine räumte – würde ihnen, bevor sie voll war, nicht alles ausgehen?
    Sie nahm den Tee mit hinauf in das Schlafzimmer und beschäftigte sich wieder mit dem Karton, in dem ihre eigene Kleidung lag. Als sie eine marineblaue Arbeitsbluse aufhängte, klingelte das Telefon schon wieder. Also wirklich. Sie stand auf, streckte vorsichtig das angeschlagene Knie und tappte die Treppe wieder hinunter. Plötzlich kam ihr ein schrecklicher Gedanke. Wenn nun die Leute, die ihre Wohnung gekauft hatten, nach der ersten Nacht ihre Nummer ausgeforscht hatten und sich jetzt über die Frau einen Stock über ihnen beschweren wollten, über ihre lauten Schritte auf der Treppe?
    Als sie das Telefon erreichte, beschloss sie, trotzdem abzuheben. Vielleicht war es ja Allen.
    Kaum streckte sie die Hand aus, hörte das Klingeln wieder auf.
    Sie schüttelte den Kopf. Äußerst merkwürdig. Sie prüfte, ob das Telefon richtig eingesteckt war, vergewisserte sich, dass sie auf kein Kabel getreten war, und runzelte die Stirn. Alles schien in Ordnung. Eine Minute lang wartete sie, ob der Anrufer es noch einmal versuchen würde. Als das Telefon stumm blieb, drehte sie sich um und wollte wieder hinaufgehen; im letzten Moment fiel ihr ein, dass sie einen weiteren Karton aus der Diele mitnehmen könnte. Sie war halb oben, als das Telefon erneut klingelte.
    Ihre Brustmuskeln verhärteten sich. Was zum Kuckuck?
    Sie stellte den Karton ab und rannte die Treppe hinunter, sprang von der letzten Stufe und riss den Hörer hoch.
    Das Klingeln hörte auf.
    Debs wurde es ganz anders.
    Das Telefon klingelte wieder.
    Sie packte den Hörer und rief »Hallo!« hinein. Es war fast ein Aufschrei.
    Tot. Die Leitung war tot.
    »O nein«, murmelte sie. »Du lieber Himmel, nein.« Mit zitternden Fingern begann sie zu wählen.
    »Allen!«, stieß sie mit panischer Stimme hervor. »Das Telefon hat dauernd geklingelt, dann war die Leitung tot. Ich glaube, das sind sie. Die Poplars.«
    Langes Schweigen. »Ich bin in einer Besprechung«, sagte er sachlich. »Können wir uns in der Mittagspause unterhalten?«
    »Ja, entschuldige, Schatz«, sagte sie.
    »Ich könnte doch mittags nach Hause kommen?«, schlug Allen vor.
    Ja. Ja, unbedingt.
     
    Debs hörte ihn nicht durch die Haustür kommen. Die Wolkendecke hatte schließlich aufgerissen und blaue Flecken aufscheinen lassen, und um sich abzulenken, hatte Debs im Beet mit den pinkfarbenen Pfingstrosen und den blauen Iris, das noch die Hendersons angelegt hatten, Unkraut gejätet.
    »Hallo«, rief Allen, als er in die Küche trat, und stellte seinen Aktenkoffer ab. Er trug einen der beiden grauen Anzüge, die er, von ihr beraten, bei Marks & Spencer gekauft hatte. Sie hatte ihn dazu überreden wollen, einen einfarbigen und einen gestreiften Anzug zu nehmen, aber er wollte beide Anzüge einfarbig haben. »Ich will nicht den Angeber spielen«, hatte er gesagt.
    »Hallo«, erwiderte sie seinen Gruß, um eine feste Stimme bemüht. »Die Suppe ist schon aufgesetzt.«
    »Gut, Schatz«, antwortete er.
    Als er »Schatz« sagte, sanken ihre Schultern sofort entspannt nach unten. Vielleicht würde es gar nicht so schlimm werden.
    »Guten Vormittag im Büro gehabt?«, fragte sie unbeschwert, wusch sich die Hände und küsste ihn auf die Wange.
    »Ja, ich glaube schon.« Mit einem zufriedenen Blick ging er an ihr vorbei in den Garten hinaus. »Ich habe meine Idee einer Bushaltestelle bei der Bücherei vorgetragen und glaube, der Planungsbeamte hat sie positiv aufgenommen.«
    »Mmmm«, machte sie, ohne wirklich zuzuhören; sie schöpfte die schon vormittags gekochte Hühnerbrühe in die Teller und trug sie auf einem Tablett mit Löffeln, Butterbrot, Servietten und Wassergläsern hinaus. »Aha.«
    »Natürlich hat Ali gesagt, er hätte die

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