Allein die Angst
kennt.«
Suzy wirkt zerstreut und sieht auf die Uhr.
»Wie war dein Tag?«, frage ich. »Geht’s dir gut?«
»Ja«, sagt sie abwesend. »Ich habe die Zwillinge zu Hause behalten. Wir haben Brownies gebacken.«
»Alles in Ordnung?« Suzy wirkt stiller als sonst. Ein bisschen gedämpft.
»Ja – eigentlich nein. Ich dachte, Jez wäre inzwischen zurück. Er ist mit Henry schwimmen gegangen.«
Ich starre sie an. »Das ist nicht dein Ernst!«
»Doch, er meint, Henry hätte es längst lernen sollen.«
Wenn Jez sich schon früher die Mühe gemacht hätte, mit ihm ins Schwimmbad zu gehen, dann könnte er es vielleicht auch längst, denke ich.
»Und hast du schon beschlossen, ob du diese Woche ins Spa gehst?«, frage ich vorsichtig. Ich versuche immer noch, ihre Stimmung zu ergründen.
»Ach, ich weiß nicht. Jez ist diese Woche da – vielleicht gehe ich stattdessen in Hampstead Heath mit ihm essen oder so.«
Ich nicke und warte.
Und warte.
Sie stellt keine Fragen.
»Suze …«, flüstere ich.
»Was ist?«
»Es war der Wahnsinn. Bei Rocket.«
»Ach ja?« Sie reckt den Kopf, um zu sehen, was die Zwillinge in der Küche treiben.
»Das Studio war unglaublich. Das solltest du dir mal anschauen kommen. Guy hat es neu stylen lassen; es sieht jetzt aus wie ein Raumschiff, und auf dem Klo habe ich fünf Minuten gebraucht, bis ich die Seife unter der Edelstahlblende gefunden habe …« Ich lache, bin aber nicht sicher, ob sie mir überhaupt zuhört. »Gott, war ich nervös. Aber Guy fand meine Arbeit gut. Und überhaupt – wieder in Soho zu sein! Wer ist übrigens dieser amerikanische Schauspieler, der …«
Sie beugt sich zu mir und tippt mir auf die Schulter. »Super, Honey. Ich hab dir doch gesagt, dass du super sein wirst. Übrigens muss ich mich jetzt allmählich darum kümmern, dass die Jungs ins Bett kommen. Möchtest du zum Abendessen bleiben? Ich habe noch Brathähnchen übrig.«
Wusst ich’s doch, dass ich die ganze Zeit etwas gerochen hatte. Das muss das Brathähnchen gewesen sein. Aber hinter dem Essensgeruch verbirgt sich noch etwas anderes.
Ich schnuppere unauffällig.
Urin.
Die vertraute, stechende Note nasser Windeln hängt in der abgestandenen Luft, dazu der Atem und Körpergeruch von Menschen, die den ganzen Tag im Haus verbracht haben. Suzys T-Shirt ist wieder mit Soße bekleckert. Ihre Wangen sind vom Kochen verschwitzt und gerötet, ihr Haaransatz glänzt vor Schweiß, der ihre blonden Haare an den Wurzeln dunkler macht. Hinter ihr am Ende des Gangs, mit Spielzeug übersät, der Küchenboden. Malkreiden und kappenlose Stifte liegen auf den weißen Fliesen verstreut. Und die Küche, die gestern noch aussah wie aus einer Wohnzeitschrift, wirkt nach der abgefahrenen Industrieästhetik von Guys Studio ein wenig brav.
Als hätte ich an einem Kaleidoskop gedreht, sehe ich alles aus einer neuen Perspektive.
Peter tappt zur Küchentür, und ich winke ihm zu. Rotz läuft ihm dick aus der Nase, er wischt ihn mit einer farbverklecksten Hand ab.
Nein.
Nein, ich möchte nicht zum Abendessen bleiben.
»Suze, das ist wirklich nett von dir, aber ich glaube, Rae braucht ein bisschen Ruhe«, sage ich.
Und das stimmt. Aber es stimmt auch, dass ich heute Abend nicht hier sein möchte. Ich war gestern Abend hier, und vorgestern, und vorvorgestern. Ich möchte nach Hause. Ich möchte mich zusammen mit Rae in ein Schaumbad setzen, mit ihr über den Hort quatschen und dafür sorgen, dass sie zur Ruhe kommt. Und dann möchte ich mir ein paar Notizen für morgen machen, für das Meeting mit Loll, vielleicht ein Glas Wein trinken und mir die Augenbrauen zupfen.
Beim Gedanken an Augenbrauen fangen meine Lippen an zu zucken.
Kurz bevor ich vom Tonstudio nach Hause aufbrach, wuchtete ich die schwere metallene Toilettentür mit dem eingelassenen V aus schwarzem Granit auf (V für Venus, die Männer haben ein M für Mars). Drinnen stand Megan vor dem Spiegel.
»Toller Sound«, sagte sie. »Guy ist ja so begeistert, dass er dich wieder hat. Wir haben schon einiges von dir gehört!«
»Ja?« Ich runzle die Stirn, weiß nicht so recht, was ich darauf erwidern soll. Ich sehe ihr zu, wie sie sich die Lippen nachzieht, wahrscheinlich geht sie heute Abend in Soho aus.
»Du hast tolle Augenbrauen«, platze ich heraus und deute auf die perfekten, nachgestrichelten Bögen über ihren riesigen blauen Augen.
»Danke«, antwortet sie fröhlich. »Die Frau in meiner Reinigung zupft sie mir. Sie meint, Bögen
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