Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Allein die Angst

Allein die Angst

Titel: Allein die Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Louise Millar
Vom Netzwerk:
verschieben, zu verändern beginnt – wie sie aus dem Gleichgewicht gerät.«
    Parker sieht mich aufmerksam an. Er hört mir zu, merke ich. Er nimmt mich ernst.
    »Deshalb …«, fahre ich fort und bete, dass Guy mitzieht, »… Ich weiß, Sie denken an echte Baustellengeräusche, aber wie wär’s, wenn wir stattdessen Naturgeräusche nehmen? Klänge, die wir aus dem »Stille«-Mix herauspicken und zur Disharmonie verzerren. Sagen wir mal, für das Sägen nehmen wir Fliegengebrumm, das wir so verstärken, bis es übermächtig und unangenehm wird. Oder ein sehr hohes, schrilles Vogelzwitschern für das Bohrgeräusch.«
    Parker denkt eine Weile nach. »Interessant«, sagt er dann, trommelt mit den Fingern auf den Tisch und sieht Guy an.
    Dann nickt er.
    Er
nickt
.
    »Die Idee gefällt mir. Könnten Sie mir davon noch eine Rohfassung machen, Callie?«
    Hat er das wirklich gerade gesagt?
    Mir brennen die Wangen. »Selbstverständlich. Gerne.«
    »Gut. Machen wir«, sagt Guy, sieht mich mit hochgezogenen Augenbrauen an und winkt nach der Rechnung.
    Vielleicht ist es der Alkohol, vielleicht die Euphorie. Ich fühle mich plötzlich unter Strom, als hätte mich jemand an eine Steckdose angeschlossen und angeschaltet. Dunkle Räume werden in mir hell.
    »Danke, Cal«, sagt Guy. »Hör mal, lass es für heute gut sein. Wir haben schon viel geschafft. Du kannst morgen damit anfangen.«
    »Wirklich?«
    »Aber pünktlich. Es gibt viel zu tun.«
     
    Ich gehe wie auf Wolken.
    Als ich eine Stunde später mühelos den Hügel zwischen der Bahnstation Alexandra Park und Raes Schule hochlaufe, habe ich das Gefühl, meine Beine sind auf die doppelte Länge angewachsen. Der Gehweg sonnt sich in der fröhlichen Junisonne. Es fällt mir schwer, nicht vor mich hin zu lächeln. Parker mochte meine Ideen. Sie haben ihm gefallen.
    Und Megan hat mich eingeladen, am Donnerstag mit ihr in Soho auszugehen.
    Es läuft! Ich kann es nicht fassen. Es funktioniert wirklich. Ich spüre schon, wie ich mich innerlich von Suzy entferne.
    Beschwingt schreite ich aus, auf den Hort zu, und frage mich, wie Rae drauf sein wird, nachdem sie heute früh so schlecht gelaunt war. Ich sehe auf die Uhr: Mir bleibt noch viel Zeit, um mich mit Ms. Buck zu unterhalten, wie meine Tochter sich eingewöhnt.
    Zu meiner Überraschung begrüßt mich gleich an der Tür eine überschäumende, von einem Ohr zum anderen grinsende Rae.
    »Mum!«, schreit sie. »Darf ich zu Hannah?«
    Was?
    »Darf sie?«, quiekt Hannah, die aus der Garderobe herausläuft und Rae an der Hand fasst. Gemeinsam hüpfen sie auf und ab und kichern.
    »Hm, ich weiß nicht, Rae. Ich meine, was sagt …«
    Verwirrt blicke ich hoch und sehe Caroline, Hannahs Mutter, mit Hannahs Rucksack aus der Garderobe auftauchen.
    Hat Caroline Rae zum Spielen eingeladen? Mein Herz klopft stürmisch. Caroline kam mir schon immer ein wenig herzlicher vor als die anderen Mütter, sie hat mich kurz nach Schulbeginn im September sogar gefragt, ob ich mit ihr und ihrem Mann zum Quizabend der Eltern gehen möchte. Aber dann brauchte mich Suzy an jenem Abend, weil Jez auf Geschäftsreise war und sie mit einem der Jungs plötzlich zum Arzt musste. Und danach schien sich die Clique um Caroline und ihre Freundinnen zu schließen, und sie hat nie mehr mit mir geredet.
    »Hi, Caroline«, begrüße ich sie. »Rae hat gerade gesagt …«
    Ich nehme in ihrem Gesicht ein winziges Zucken wahr.
    Ihre Nase. Caroline zieht sie fast unmerklich hoch.
    O Gott. Mein Atem. Nach dem Essen im Restaurant rieche ich nach Alkohol.
    »Rae hat mich nur gefragt, ob … äh …«
    »Ja«, antwortet Caroline. Ihr Ton ist nicht unfreundlich. Sondern einfach neutral. »Das sollte gehen.«
    Gehen?
    »Aber ich fürchte, heute nicht. Hannah hat Klavierstunde.«
    »Dann morgen, Mummy?«, schreit Hannah.
    »Ja, morgen?«, kreischt Rae.
    Ich beobachte Carolines Reaktion, ihr schmallippiges Lächeln. Was hat das zu bedeuten?
    Und dann kapiere ich. Entsetzt begreife ich, dass Caroline Rae gar nicht eingeladen hat; Rae war so verzweifelt, dass sie selbst Caroline gefragt hat, ob sie zu ihr nach Hause kommen kann. Sie hat Caroline das Messer auf die Brust gesetzt, dass sie unmöglich nein sagen konnte.
    Ich erstarre.
    Caroline nickt und sieht mich an. »Ja. Morgen müsste gehen. Ich werde Hannah früher aus dem Hort holen und Rae mitnehmen. Kannst du sie um halb sieben bei mir abholen?«
    Raes Mund klappt vor Aufregung auf, sie rennt auf mich zu und

Weitere Kostenlose Bücher