Allein die Angst
Restaurant, das dieser flippige Fernsehkoch gerade in der Wardour Street eröffnet hat«, sagt Megan und zieht sich ebenfalls die Lippen nach, allerdings vor einer hübschen kleinen Puderdose. Eine Puderdose. Ist ja klar, dass Megan so was hat.
»Wirklich? …« Ich werde blass und werfe einen hoffnungslosen Blick auf meine überstrapazierte Kreditkarte.
»Callie – Guy zahlt«, beruhigt sie mich. »Das ist ein Kundenessen.«
»Ach ja?«, entfährt es mir lauter als beabsichtigt. Natürlich.
Megan stößt ein Kichern aus, das sich anhört wie Glöckchengeklingel. »Du bringst mich echt zum Lachen. Wir müssen mal zusammen weggehen.«
»Oh«, sage ich verblüfft, »das wäre nett.«
»Bei Universal Pictures gibt’s am Donnerstag eine Premierenparty – meine WG -Mitbewohnerin arbeitet da. Ich gehe mit ein paar Freunden hin. Komm doch mit.«
»Wirklich?« Meine Gedanken fangen fieberhaft an zu arbeiten. Was soll ich mit Rae machen? Ich müsste Suzy fragen …
Guy streckt den Kopf zurück durch die Tür. »Cal?«, blafft er.
»Geh schon – du kennst ihn doch«, lästert Megan, als ich zur Tür laufe.
Sie hat recht. Ich kenne Guy. Die Erinnerung kehrt schnell zurück: Er ist anspruchsvoll, herausfordernd, zwingt einen, schnell zu denken und sein Letztes zu geben. Ermutigt einen, zu tun, wozu man sich nicht für fähig hielt.
Unglaublich beflügelnd,
das
ist er.
In ein angeregtes Gespräch vertieft, sind Guy und Parker mir schon fünf Schritte voraus. Ich klappere in meinen neuen Sandalen hinterher. Sogar aus dieser Entfernung dröhnt mir Guys Stimme in die Ohren; selbstsicher weicht er Fahrradkurieren aus und schlängelt sich durch Tische auf dem Gehweg, vorbei an Film-, Musik- und Werbefirmen. Ich beobachte ihn. Er geht durch die Straßen Sohos, wo Millionengeschäfte abgeschlossen werden, als gehörten diese Straßen ihm. Als gehörte er dazu.
Das Restaurant ist nur zwei Minuten von Rocket entfernt. Während Guy und Parker an der Tür auf mich warten, werde ich auf zwei Frauen in den Sechzigern aufmerksam, die an der coolen Glas- und Holzfront des »Asian Fusion« vorbeigehen. An den pastellfarbenen Kostümen, den sorgfältig abgestimmten Schals und dem Haarschnitt frisch vom Friseur erkenne ich, dass sie auf einem Tagesausflug in London unterwegs sind, eine Ausstellung besuchen, ein bisschen shoppen und in ein Musical gehen, genau wie Mum mit ihrer Schwester Jean einmal im Jahr.
Als sie an mir vorbeigehen, flüstert die eine der anderen laut etwas zu.
»Wer?«, fragt die Größere lebhaft.
»Na, der von dieser Ausstellung, die wir in der Tate gesehen haben!«
»Ooh!«, stößt die Größere aus und blickt diskret nach hinten. »Ja. Ich glaube, du hast recht. Parker oder so? Loll Parker, so hieß er doch.«
Ich bin so verdattert, dass sich mein Blick unwillkürlich zu ihnen verirrt. Die Frauen merken, dass ich sie belauscht habe.
»Loll Parker«, murmelt mir die eine verschwörerisch zu und deutet mit verstohlenen Handbewegungen und vielsagend aufgerissenen Augen zum Restaurant zurück.
»Ah.« Ich nicke lächelnd und gehe an ihnen vorbei.
»Okay, Cal?«, ruft Guy laut, als ich die Tür erreiche.
In ihrer Glasscheibe spiegelt sich, wie die beiden Frauen die Köpfe drehen und mich beobachten. Parker legt mir höflich die Hand ins Kreuz und führt mich durch die Tür, die Guy aufhält, ins Restaurant. Die Frauen wenden sich mit großen Augen ab und schlagen verlegen die Hand auf den Mund. Wenn sie meiner Mum und Tante Jean auch nur ein bisschen ähneln, dann werden sie auf der Heimfahrt völlig aufgelöst im Zug sitzen und einander unter Anfällen von hysterischem Gelächter die Geschichte immer wieder erzählen.
Mich überkommt der Drang, den Frauen nachzurufen: »Nein, wirklich, ehrlich, glauben Sie mir. Diese Situation ist für mich genauso einmalig wie für Sie.«
Aber ich erkenne, dass sie, genauso wie Guy, mich als jemanden betrachten, der hierher gehört.
Das Mittagessen dauert dann zwei Stunden, in denen uns Parker erzählt, wie er mit seiner norwegischen Mutter und seinem nigerianischen Vater im Osten Oslos aufgewachsen ist, und welches Gefühl von Entwurzelung er hatte, als sie nach Lagos umzogen und später wieder zurück.
»Es klingt vielleicht ein bisschen verrückt«, wage ich mich nach der zweiten Flasche Wein vor. Ich spüre Guys bohrende Blicke. Vorsicht, warnen sie. »Aber ich glaube, Ihnen schwebt vor zu zeigen, wie sich die natürliche Harmonie eines Umfelds zu
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