Allein die Angst
Damentoilette gehe, fällt mir wieder das verstopfte Klo zu Hause ein, und ich bringe es tatsächlich fertig, meinen Vermieter anzurufen, mir die Nummer seines Klempners geben zu lassen und einen Termin für Donnerstag auszumachen, alles mit Flüsterstimme in meinem WC -Abteil. Guy würde es gar nicht gefallen, wenn der heutigen Arbeit häusliche Dramen in die Quere kämen. Beim Verlassen der Toilette schalte ich mein Handy aus, falls der Klempner versuchen sollte, mich hier zurückzurufen.
Kurz vor Mittag streckt Guy den Kopf zur Tür meines Studios herein. »Bist du so weit?«, fragt er.
»Äh …« Mein Herz klopft wild. »Ich glaube schon.«
Er und Parker kommen herein und setzen sich in die Kinosessel. Ich schalte ruhig an den Geräten herum, gehe auf Nummer Sicher, dass ich nichts Dummes tue, und lasse die Sequenz erst einmal in meinem Kopf ablaufen. Gerade, als ich »Play« drücken will, kommt Megan mit einem Telefonhörer herein.
»Callie, eine Suzy möchte dich sprechen.«
Guy sieht mich an. »Musst du das Gespräch annehmen?«
»Hm …«
Was soll ich machen?
»Geht das? Könnte dringend sein.«
»Nur zu«, sagt er; sein Gesicht verrät nichts.
»Tut mir leid.«
Wie ist Suzy zu dieser Nummer gekommen? Von mir hat sie sie sicher nicht, genau aus diesem Grund.
»Suze – alles in Ordnung?«, frage ich und drehe mich so weit wie möglich von den beiden Männern weg.
»Hi, Honey«, sagt sie. »Ja. Ich wollte nur ein bisschen mit dir plaudern. Bei deinem Handy schaltet sich sofort die Mailbox ein.«
Plaudern? Ich werfe Guy einen Seitenblick zu. Er lacht gerade mit Loll Parker, der für den Turner-Preis nominiert ist, und trommelt mit den Fingern auf dem Tisch herum.
»Hm, Suze …«
»Tut mir leid, wenn ich gestern Abend ein bisschen komisch war – ich habe mir nur wegen Jez und Henry Sorgen gemacht. Ich wollte fragen, wie es heute früh mit Rae gegangen ist?«
Ich starre auf den Teppich hinunter. »Nett von dir, aber im Moment bin ich gerade in einem Meeting …«
»Kannst du nicht reden?«
»Ein ziemlich wichtiges Meeting.«
»Okay, Honey. Dann störe ich nicht länger. Eins noch – das muss ich dir erzählen. Heute früh. Du weißt doch, dass Rae und Henry für den Geschichtsunterricht eine Theaterszene spielen? Es war echt lustig: Henry hat mir erzählt, dass er sich als Kappe verkleiden muss.« Sie lacht.
Ich sage nichts, sondern lächle nur dümmlich und nicke, als Guy herüberschaut. Was soll denn das, Suze?
»Er hat gemeint: als
Knappe
«, sagt sie.
»Ach«, sage ich. »Wie witzig. Aber jetzt muss ich wirklich Schluss machen – tut mir leid. Ich ruf dich später an. Tschüs.«
»Okay, Honey, tschüsi …« Sie verstummt, und ich breche mit einem energischen Tastendruck die Verbindung ab.
Ich weiche Guys Blick aus und nehme zum zweiten Mal Anlauf, meine Rohfassung vorzuführen.
»Alles in Ordnung?«, fragt Guy.
Kann man so nicht behaupten.
»Ja, Entschuldigung. Also, ich habe mir vorgestellt …«
Es gefällt Parker, wie ich die Stille wiedergeben will. Guy sucht meinen Blick und zwinkert.
»Gut. Und jetzt zum Lunch. Wir sollten langsam los«, sagt er mit einem Blick auf die Wanduhr. »Der Tisch ist für halb zwei reserviert.«
Mit einem stummen Stoßseufzer der Erleichterung mache ich mich am Mischpult zu schaffen, während die beiden aufstehen und zur Tür gehen. Eine halbe Stunde, in der ich nur ruhig dasitze und mich erhole, kann ich jetzt gut gebrauchen.
Guy bleibt an der Tür stehen.
»Cal? Bist du so weit?« Er wartet.
Parker hält erwartungsvoll die Tür auf.
»So weit? …«, versuche ich schwach.
»Dass wir essen gehen können?«
»Oh. Komme ich mit, oder was?«, stammle ich. Guy schießt mir einen unauffällig tadelnden Blick zu. »Wir sind das Aushängeschild – reiß dich zusammen«, lautet die Botschaft.
»Wir warten am Empfang auf dich«, blafft Guy und winkt Parker, er solle vorangehen.
Mist.
Aus den Tiefen meiner Tasche krame ich einen Lippenstift hervor, ziehe mir vor meinem Spiegelbild am Bildschirm rasch die Lippen nach und drücke sie zusammen, damit sich die Farbe einigermaßen verteilt. Dann schiebe ich meine Afghanenmähne nach hinten und haste den beiden nach. Guy öffnet Parker schon die Tür und lässt ihm den Vortritt in die Wardour Street.
»Weißt du, wo wir hingehen?«, frage ich Megan flüsternd und wühle verzweifelt in meiner Tasche, um zu sehen, ob mein Geld für ein Sandwich reicht.
»Ich glaube, in das
Weitere Kostenlose Bücher