Allein die Angst
umklammert meine Beine.
Ich umarme sie ebenfalls, aber die Worte »müsste gehen« hallen in mir nach. Vielleicht ist es Verlegenheit oder ein gewisser Kater nach dem Mittagessen, jedenfalls spüre ich, wie ich innerlich die Stacheln aufstelle und mich für meine Tochter stark mache. »Was heißt hier, es müsste
gehen
?«, hätte ich gern gesagt. »Entschuldige, Caroline, aber das ist mir bei weitem nicht genug. Auf meine Tochter hat man sich zu
freuen
. Meine Tochter ist schön, lieb und freundlich. Sie hat ein erstaunliches Lachen, wenn du dir die Zeit nehmen würdest, es anzuhören. Sie hat mehr überlebt, als du dir vorstellen kannst, und verdient mehr als ein verdammtes
Das-müsste-gehen
.«
Dann fällt mein Blick auf Raes Gesicht, das vor Aufregung rosa leuchtet.
Arme Rae. Wenn sie wüsste! Nicht sie, sondern ich bin bei den Schulmüttern unbeliebt und habe jeden Versuch aufgegeben, die Gründe dafür zu begreifen. Ich bin es, die ihre Chancen ruiniert, zu anderen Kindern zum Spielen eingeladen zu werden. Und wenn ich um fünf Uhr nachmittags nach Alkohol rieche, macht das die Sache auch nicht besser.
Also beiße ich mir auf die Zunge. Eine widerstrebend ausgesprochene Einladung ist für Rae im Moment besser als nichts. »Sie würde sehr gern kommen, danke.«
Caroline macht die Tür auf und lässt Hannah und Rae durchschlüpfen. Wir folgen den Mädchen durch das Tor des Horts nach draußen.
»Unsere Adresse steht auf der Klassenliste«, ruft Caroline mir nach.
»In Ordnung.« Ich nicke.
Caroline führt Hannah in Richtung The Driveway davon und fixiert ihre Tochter mit einem Blick, als versuche sie, ihr in einem Geheimcode etwas mitzuteilen. Hannah ist klug genug, die Augen fest auf den Boden zu richten.
»Ich hab eine Verabredung!«, quiekt Rae; sie hält mich fest an der Hand und springt auf und ab, bis es weh tut.
Heute war für uns beide der beste Tag seit langem. Ich sehe keinen Sinn darin, Rae zurechtzuweisen, weil sie heute früh so pampig gewesen ist, oder weil sie Caroline bedrängt hat.
Wir machen uns auf in Richtung Churchill Road. Da fällt mir unsere leere Wohnung mit der verstopften Toilette ein, und Suzy, die wie immer auf der anderen Straßenseite auf uns wartet.
Nicht heute. Nein, ich kann nicht.
Ich bleibe stehen und grabe die Münzen wieder aus, die ich mittags ganz unten in meiner Tasche gefunden habe.
»Weißt du, was, Rae? Suzy hat mir erzählt, beim Kreisverkehr in Muswell Hill hat eine neue Milkshake-Bar aufgemacht. Wollen wir die ausprobieren?«
Raes Gehopse wird noch wilder und nun auch noch von Jubelgeschrei verstärkt. Lächelnd nehme ich ihre Hand und gehe den Hügel hinauf. Rae hüpft an meiner Seite; in einer Viertelstunde werden wir am Broadway sein.
Zu spät fällt mir ein, dass ich Caroline hätte bitten sollen, morgen nach der Schule Rae an der Hand zu nehmen, und dass ich ihr für medizinische Notfälle meine Handynummer hätte geben sollen.
Ich drehe mich um, aber Caroline ist längst den Hügel hinunter verschwunden.
Halb so schlimm, ich werde sie morgen von der Arbeit aus anrufen.
Kapitel 17 Suzy
Du lieber Himmel, was trieb Jez bloß da oben?
Suzy wirtschaftete in ihrer Küche herum, schlug Schranktüren zu und stellte den Geschirrspüler an.
Lächerlich. Es war jetzt fast halb acht, und er tauchte immer noch nicht aus seinem Arbeitszimmer auf. Dort saß er seit dem Frühstück, hinter geschlossener Tür. Nach einem vierstündigen Einkauf in Brent Cross war sie die Treppe hinaufgeschlichen und hatte an der Tür gelauscht. Aber es war nichts zu hören. Weder seine polternde Stimme am Telefon, noch Musik, die er nachmittags manchmal laufen ließ, noch das Klappern der Tastatur unter seinen Fingern. Es war totenstill da drinnen.
Sie nahm einen Lappen und begann die Arbeitsplatten abzuwischen, die sie heute schon zweimal gereinigt hatte, einmal nach dem Frühstück, dann wieder nach dem Mittagessen. Getreideflocken und Milch, dann verkleckerte Gemüsesuppe und Brösel; jetzt waren es die kalten Reste von Kartoffel-Brokkoli-Auflauf, die sie in ihre Handfläche wischte. Um sechs, als die Jungs herumbalgten, sangen und schrien, hatte sie nach oben gerufen, wann Jez essen wolle, in der Hoffnung, er würde ihr vielleicht helfen, die Kinder ins Bett zu bringen.
»Später«, rief er herunter. »Lass es im Ofen.«
Das war vor eineinhalb Stunden gewesen. Er müsse eine Präsentation vorbereiten, die er am Donnerstag in Birmingham halten würde, hatte er heute
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