Allein die Angst
seelenlos.
Ein Überwurf lag faltig über einem ziemlich alten Sofa. Die Regale links und rechts vom Kamin waren leer, bis auf ein paar schmuddelige Ordner und einem Packen Kinderzeichnungen; zwei der Bilder waren mit Gummimasse an die Wand gepickt. Eines der Regalbretter hing schief, als hätte es sich gelockert; niemand hatte es wieder festgeschraubt. Auf dem Kaminsims lehnten ein paar ungerahmte Fotos, eins mit Callie, Rae und einem Mann, der wohl Callies Vater war, eins mit Rae im Halloweenkostüm mit den Kindern von nebenan, und dann noch einmal fast dasselbe Motiv, aus einem anderen Winkel aufgenommen. Wohin sich Debs auch drehte, fielen ihr weitere Zeichen von Callies Resignation ins Auge. Ein Übertopf ohne Pflanze. Auf dem Sofatisch Stapel ungeöffneter Rechnungen und alter Briefe von der Schule.
Wirklich trist. Debs ging in die Küche.
Die war ähnlich heruntergekommen und schäbig. Auf dem Tisch eine Plastikdecke, übersät mit Stiften und weiteren Papierstapeln. Auf einer weißen Tafel eine längst überholte Liste, mit blauem, schon verblassendem Stift geschrieben: Weihnachtseinkäufe.
Debs sah sich prüfend um. Neben der Spüle stand eine schmutzige Tasse, die wahrscheinlich der Handwerker hinterlassen hatte. Debs suchte nach einem Geschirrspüler, aber es gab keinen, sondern nur eine alte Waschmaschine mit einem Sprung in der Tür und einem Wäschetrockner obendrauf. Geistesabwesend nahm Debs die Spüliflasche und eine Bürste in die Hand, spülte die Tasse und stellte sie auf den Geschirrständer. Die Abtropffläche war mit einer dünnen weißen Schicht überzogen, die das harte Londoner Wasser überall hinterließ. Das war kein Schmutz, sondern nur ungepflegt.
Debs fragte sich, warum Callies Zuhause ein solches Chaos war. Gedankenverloren suchte sie unter der Spüle herum und fand Putzmittel und einen Scheuerschwamm.
Du lieber Himmel, was machte sie denn da? Sie hielt inne.
Ach, das konnte doch nicht schaden, oder?
Sie spritzte das Putzmittel über die Spüle, die Wasserhähne und die Abtropffläche und begann zu scheuern.
Fünf Minuten später war die Spüle blitzsauber.
Gut, dachte Debs.
Als sie das Putzmittel zurückstellte, bemerkte sie, dass etwas Spüli in den Schrank gelaufen und angetrocknet war, eine dicke grüne Linie, die sich durch andere Putzmittelflaschen schlängelte und unter ein paar feuchten, nach hinten geschobenen Plastiktüten verschwand. »Das mach ich noch, nur das«, dachte sie.
Als sie auf Knien den Schrank auswischte, dabei auch gleich die anderen Flaschen mitsäuberte und ein paar alte Lappen hervorzog, bemerkte sie den PVC -Boden. Er war oberflächlich sauber, als würde er alle paar Tage kurz gewischt. Aber das genügte nicht, um den braunen Schmutzrand zu entfernen, der an den Küchenschränken entlanglief und die Spalte zwischen Boden und Scheuerleiste fast ausfüllte.
Debs stand auf. Das wäre eine Sache von ein paar Minuten. Wo hatte Callie ihren Mopp?
Sie wusste nicht, wo die Zeit geblieben war. Erst zwar es zwei, dann war es sechs.
Die Wohnung roch feucht und frisch, als hätte jemand einen Eimer Wasser darübergekippt. Zufrieden trat Debs zurück und betrachtete ihr Werk. Sie war inzwischen schnell nach Hause gelaufen und hatte ein paar Dinge geholt. Alle Flächen in der Dreizimmerwohnung waren gewischt und poliert. Die Fenster blinkten. Die Toilette war entkalkt, aus dem Spülkasten floss nun blaues Wasser. Im Wohnzimmer hatte Debs gestaubsaugt, den Teppich mit Teppichspray aufgefrischt und den Stapel alter Zeitschriften und Lokalzeitungen, den sie neben dem Sofa auf dem Boden gefunden hatte, hinausgetragen. In der Waschmaschine lief bereits die zweite Ladung, die erste war im Trockner. Alte Zahnpastatuben, leere Toilettenpapierrollen und Seifenreste waren aus dem Bad entfernt. Ein Stapel Werbebriefe und geöffneter Umschläge wartete neben der Wohnungstür darauf, zum Altpapier gebracht zu werden. Alles andere hatte Debs in Mappen geheftet, die sie mit Allens farbigen Etiketten beklebt hatte. Dringende Schreiben hatte sie mit roten Nadeln, die sie von zu Hause mitgebracht hatte, an die alte Pinnwand geheftet. Sie hatte alle Schuhe aussortiert, die kleiner als Größe 29 oder Einzelgänger waren, und sie mit ein paar Mänteln für Dreijährige in eine Tüte für die Altkleidersammlung gepackt.
Jetzt gab es nur noch eins zu tun.
Sie stieg im Wohnzimmer auf einen Stuhl, um die Fenster zu schließen, die sie zum Lüften geöffnet hatte. Da
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