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Allein die Angst

Allein die Angst

Titel: Allein die Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Louise Millar
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Amerikanerin mit ein paar Einkaufstaschen aus dem Haus gehen und in ihrem Auto davonfahren.
    Zur Sicherheit blieb Debs weitere zehn Minuten am Boden liegen und sortierte im unteren Regalfach die Whitmans und Zolas. Als sie annehmen konnte, dass die Gefahr vorüber war, kroch sie auf Händen und Knien aus dem Wohnzimmer in die Diele. Sie schlüpfte in ihre Schuhe und nahm das in Geschenkpapier gewickelte Päckchen, das sie zusammen mit dem plattgedrückten Püppchen des kleinen Mädchens auf die Treppe gelegt hatte – etwas Besseres war ihr im Moment nicht eingefallen. Sie schlich aus der Haustür, streckte den Kopf kurz um die Hecke, um zu sehen, ob die Luft rein war, und überquerte rasch die Straße. Der Weg durch Callies Vorgarten zur Haustür war ein bisschen anders, als er von drüben ausgesehen hatte. Der Lack am Tor war verkratzt, und dahinter standen zwei Abfalltonnen, nicht eine. Hinter ihnen lagen Teile einer kaputten Schachtel, und im Vorgarten wucherte Unkraut. Komisch. Callies Zuhause hatte sie sich etwas anders vorgestellt. Callie war so eine schicke junge Frau.
    Am besten ließ sie das Päckchen einfach auf der Schwelle liegen, dachte Debs. So wäre es hinter den Tonnen verborgen, würde aber trotzdem gleich ins Auge fallen, wenn jemand die Tür aufmachte.
    Sie wollte sich schon bücken, als sie von innen Geräusche hörte. Da fielen ihr auch die beiden Türklingeln auf. Ach – das Haus war in zwei Wohnungen aufgeteilt?
    Debs sprang zurück, als die Haustür aufflog. Eine junge Somalierin mit Kopftuch fuhr ebenfalls erschrocken zurück. Debs hielt das Päckchen hoch, um ihre Absicht zu zeigen. Die Frau lächelte breit und freundlich und lud Debs mit einer Handbewegung ein, hereinzukommen.
    »Nein, nein«, sagte Debs, »ich wollte nur etwas hinlegen …«
    Die Frau lächelte wieder und zuckte mit den Achseln zum Zeichen, dass sie kein Englisch konnte. »Please, please«, sagte sie nur und winkte Debs herein.
    Na gut. Vielleicht war das Päckchen im Hausflur ohnehin besser aufgehoben. Sie nickte und trat ein. Die junge Frau schloss die Haustür hinter sich, und Debs war allein.
    Der Hausflur roch muffig. Eine Treppe mit einem abgetretenen grauen Läufer führte zu der oberen Wohnung.
    Wo sollte sie das Päckchen hinlegen? An der Wand hing ein Ablagebrett für die Post. Ein guter Platz.
    Als sie das Päckchen neben dem Stapel von Werbesendungen deponierte, öffnete sich neben ihr die Wohnungstür, und ein vierschrötiger Mann mit Glatze kam heraus, eine Werkzeugtasche in der Hand.
    »Huch!«, entfuhr es Debs.
    »Nur nicht erschrecken. Sind Sie von gegenüber?«
    Debs nickte.
    »Die wollte ich gerade bei Ihnen einwerfen«, brummte er und drückte ihr einen Schlüsselbund in die Hand. »Sagen Sie ihr, dass wieder alles funktioniert und dass ich hoffe, ihrem Töchterchen geht es gut. Hab selber eins in dem Alter. Tschüs dann.« Damit ging er; Callies Wohnungstür ließ er offen stehen.
    »O … nein …«, stammelte Debs und versuchte, seine Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, aber da war er schon draußen und zog die Haustür ins Schloss.
    Da stand sie nun mit den Schlüsseln in dem stillen Flur. Du liebe Zeit. Was jetzt?
    Sie wich Callie im Moment bewusst aus und wollte erst mit ihr reden, wenn sie für sich selbst geklärt hatte, was gestern Abend eigentlich passiert war. Wenn sie nun die Wohnung zusperrte und auf dem Gehweg wartete, könnte sie die Schlüssel vielleicht der Afrikanerin geben. Vielleicht war die nur kurz beim Einkaufen.
    Das wäre wohl das Beste, fand Debs, ergriff die Klinke von Callies Wohnungstür und wollte sie schon schließen, als ihr Blick in die Diele fiel.
    Seltsam.
    Nein. So hatte Debs es sich bei Callie wirklich nicht vorgestellt. Sie spähte hinein. Die Wände der Diele waren mit Raufaser tapeziert und wohl vor Jahren einmal beige gestrichen worden. Jetzt waren sie allerdings mit weißen Flecken übersät, wo jemand, womöglich ein Kind, die rauen Holzfasern abgezupft hatte. Der Boden war mit PVC -Fliesenimitat ausgelegt. Die Garderobehaken verschwanden unter einem Berg von Mänteln. Darunter lagen, kreuz und quer durcheinander, jede Menge Schuhe. Und ein paar Schirme, einer mit gebrochener Speiche. Aus einer Plastiktüte an einem der Haken quollen Mützen und Handschuhe. An der Wand lehnte ein Kinderschulranzen.
    Neugierig ging Debs etwas weiter in die Wohnung hinein. Nie im Leben hätte sie gedacht, dass Callie so wohnte. Diese Wohnung wirkte ungeliebt und

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