Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Allein die Angst

Allein die Angst

Titel: Allein die Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Louise Millar
Vom Netzwerk:
nur faul auf den Polstern liegen wollten, eine DVD ein.
    Hatte sie Rae an diesem Nachmittag überhaupt wahrgenommen?
    Rae. Ja, richtig. Sie hatte Rae bemerkt. Ihr war aufgefallen, dass das kleine Mädchen in der etwas zu großen blauen Schuluniform noch kleiner wirkte als alle anderen Kinder. Und dass sich Rae zu Debs’ Erstaunen, da der Vorfall mit der Fingerpuppe einen ganz anderen Eindruck hinterlassen hatte, sehr manierlich benahm. Rae war durchaus ein temperamentvolles Persönchen. Aber während manche ältere Kinder herumrannten, johlten und andere ärgerten, bis die Tränen flossen, saß Rae mit einem anderen kleinen Mädchen namens Hannah Händchen haltend, tuschelnd und kichernd da. Die beiden waren zu dem Basteltisch gekommen, den Debs betreute, und machten Blumenbilder für ihre Mummys. Debs hatte ihnen geholfen, Pailletten aufzukleben. Dann war Hannah früh abgeholt worden; ihre Mutter hatte Rae erklärt, sie müsse ein anderes Mal zum Spielen kommen, da Hannah eine Klavierstunde hatte. Wer daraufhin einen Tobsuchtsanfall bekam, war nicht Rae gewesen, sondern Hannah. Rae hatte nur ein wenig traurig ausgesehen, als Caroline die wütend aufstampfende Hannah davonzog.
    Und was war dann passiert?
    Eine Tasse Tee. Genau. Es war ein anstrengender Nachmittag gewesen, und als die meisten Kinder abgeholt waren, sahen Debs und Anne sich an, schlugen die Augen zum Himmel und brühten eine Kanne Tee auf. Sie setzten sich ein Weilchen in die Küche, eine schwerverdiente Pause, als Ms. Buck mit dem Telefon auf Debs zukam. Suzy bat sie, Rae nach Hause mitzunehmen. Debs knöpfte dem kleinen Mädchen den Regenmantel zu, damit es nicht nass wurde. Als sie miteinander den feuchten Gehweg entlanggingen, wirkte Rae etwas niedergeschlagen.
    Und dann tauchte hinter ihnen dieser Junge mit dem Fahrrad auf und … und … Nein. Da blieb diese Leerstelle in Debs’ Kopf. Sie setzte sich mit ihrem Tee in die Küche und grübelte nach, ob sich nicht doch noch etwas finden ließe, der winzigste Anhaltspunkt.
    Sie stand auf, um sich noch etwas Milch nachzugießen, da traf sie ein Gedanke wie ein Blitz.
    Sie erinnerte sich tatsächlich noch an etwas anderes. An etwas äußerst Seltsames, wenn man es recht überlegte.

Kapitel 30 Callie
    Was hat diese Frau mit meiner Wohnung angestellt?
    Heute Vormittag, bei Tageslicht, kommt immer mehr zum Vorschein. Ich war gestern Abend zu sehr in der Küche beschäftigt, um alle Räume systematisch durchzuchecken, und habe nur am Rande bemerkt, dass mein Bettbezug anders roch, als ich aufs Kissen sank und zum ersten Mal seit Wochen tief schlief. Aber heute mache ich eine Entdeckung nach der anderen.
    Ich pralle vor Schreck zurück, als ich in die Küche komme und an der nun schneeweißen Kühlschranktür ein Foto von Rae finde. Ein Foto, das ich mir nie ansehen wollte. Tom hat es gemacht, als Rae wenige Wochen alt war, gleich nach der ersten Operation, nach der sie stark abgenommen hatte. Sie ist winzig und sieht aus wie eine kleine Ratte mit rosa Runzelhaut. Ihr Brustkorb ist so schmächtig, dass er sich fast nach innen wölbt. Daneben hat Debs noch andere Fotos aufgehängt, mit Magneten, die sie anscheinend mitgebracht hat. Eines stammt vom letzten Jahr, Dad und Rae am Strand von Skegness, mit dem Windpark im Hintergrund. Beide lachen, der Wind weht ihre Haare zur Seite. Ein zweites Foto zeigt Tom und Rae auf einer Rutsche im Park, als sie etwa zwei Jahre alt war; Rae, dick in Schal und Mütze eingemummelt, sitzt auf Toms Schoß. Auch vom letzten Halloween klemmt ein Foto an der Tür: Rae und Henry als Kürbisse verkleidet, Suzy und ich als Hexen; wir schneiden furchterregende Gesichter und fuchteln wild herum.
    Einen Moment lang starre ich geistesabwesend auf die Kühlschranktür. Wenn man die Fotos alle so zusammen sieht, dann wirkt unser Leben fast normal. Man würde nicht denken, dass Rae zwei Herz-OPs hinter sich hat. Nachdenklich öffne ich den Kühlschrank, um Milch für den Kaffee herauszunehmen.
    Du lieber Himmel, was ist denn das schon wieder?
    Alle alten Marmeladengläser hinten im Fach sind verschwunden. Die frischen Gläser stehen ordentlich aufgereiht, mit dem Etikett nach vorn, im Schrank über der Spüle. Welkes Gemüse wurde aus der Gemüseschublade entfernt, die Schublade sauber geschrubbt.
    Kopfschüttelnd schließe ich den Kühlschrank. Dieses Foto von Rae geht mir an die Nieren. Wo hat Debs es gefunden? Ich denke kurz nach und marschiere dann zu der Kommode hinüber, in die

Weitere Kostenlose Bücher