Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Allein in der Wildnis

Allein in der Wildnis

Titel: Allein in der Wildnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne LaBastille
Vom Netzwerk:
schwanken zu sehen, als um die Hütte eine Sicherheitszone abzuholzen. Wichtiger ist mir auch, die große krumme Fichte artistisch unter dem Sonnendeck hervorlugen zu lassen, als sie zu fällen und eine schöne, sichere Rasenfläche anzulegen. Trotz dieser Entscheidung kann ich in Nächten, in denen der Wind anschwillt, nicht gut schlafen. Dann sehe ich in Gedanken, wie ein monströser Stamm gegen die Hüttenwand stürzt, sie einreißt und überallhin Bücher und Trümmer schleudert. Oder ich liege wach und bilde mir ein, daß schwere Äste auf den Hausfirst krachen, Dachbleche und — bretter durchbohren und mich im Bett aufspießen.
    Einmal, ein einziges Mal, wäre es fast so gekommen. Eine starke Winterkaltfront fegte von Norden durch und knickte die lebende Krone meiner herrlichen krummen Fichte ab. Die Krone wurde sechs Meter durch die Luft geschleudert. Sie segelte über den Hüttenfirst, rutschte auf der anderen Seite hinunter und krachte zu Boden, wobei ihr vierzig Zentimeter messendes Stammende das Dach des Holzschuppens streifte. Auch dieser Beinahe-Treffer vermochte indes meine Entscheidung, keine Schutzzone abzuholzen, und meinen ursprünglichen Baumschutzschwur nicht umzustoßen. Nach wie vor fälle ich nur abgestorbene Bäume.
    Welch enges, intimes Verhältnis ich zu den Bäumen gewann, mag auch folgendes Erlebnis zeigen. Auf meinem Weg vom und zum Toilettenhäuschen machte es mir immer mehr Freude, die große Weymoutskiefer zu berühren. Eines Morgens überkam mich, die Arme um ihren Stamm geschlungen, ein Gefühl des Friedens und Wohlbefindens. Über fünfzehn Minuten hielt ich den Stamm umarmt, mich ganz auf ihn konzentrierend. Hart preßte sich die rauhe Rinde an meine Haut. Es war, als gieße der Baum seine Lebenskraft in mich aus. Als ich von ihm wegtrat, hatte ich das deutliche Gefühl, wir hätten miteinander irgendeine Energie ausgetauscht. Dieses Gefühl war vor allem in der Gegend zwischen Bauch und Brüsten bemerkbar. Später las ich dafür Erklärungen in Carlos Castanedas »Gesprächen mit Don Juan« und Michael Seranos Serpent of Serpico. In diesen Büchern wird erwähnt, daß die Nabel- und Solarplexusgegend eine Art Energiemittelpunkt für den menschlichen Körper ist. Faser- oder fächerförmig strahlt von hier Lebensenergie aus. Ich habe auf Kirlian-Fotos die Energiekorona um Fingerspitzen gesehen und kenne die Polygraphenmeßergebnisse von Pflanzenreaktionen auf Stimuli. All diese Erscheinungen deuten auf das Vorhandensein einer alles durchwirkenden Lebenskraft, für die ich durch mein Bekanntwerden mit den Bäumen empfänglich geworden bin.
    Am deutlichsten spüre ich diesen Brückenschlag, diesen merkwürdigen Gleichklang bei großen Weymoutskiefern, etwas weniger deutlich bei großen Fichten, Zuckerahorn, Buchen und Eichen. Weymoutskiefern und ich schwingen eindeutig auf der gleichen Wellenlänge. Was ich den Bäumen zurückgebe, weiß ich nicht. Hoffentlich bekommen sie etwas zurück, denn Bäume gehören zu meinen engsten Freunden.

5
    ---------------

Inca, Mapuche und Pitzi

    Ich wollte ein Tier, das ich liebhaben, das ich streicheln, mit dem ich in der Hütte spielen, das ich auf Ausflüge mitnehmen konnte. Gewiß, ich hatte Hunderte von Bäumen als Gefährten, jede Menge Wildtiere zur Gesellschaft. Backenhörnchen sammelten sich an meiner hinteren Veranda und bettelten um Erdnüsse. Kleiber, Kohlmeisen, Eichelhäher und Spechte bedienten sich ohne Scheu an meinem Futterhäuschen. Jeden Abend landete mit einem leichten Plumps ein knopfäugiges Flughörnchen neben dem Küchenfenster und naschte an der Erdnußbutter, die ich manchmal zum Abendessen auslegte. Hin und wieder ließ es mich seinen seidigen Rücken streicheln, ehe es wieder in die Luft sprang, über das Verandageländer segelte und an einem nahen Baum landete, alle viere von sich gestreckt, flach wie ein pelziger Pfannkuchen.
    All diese Tiere tolerierten mich wegen der Fütterung, nicht aufgrund innerer Zuneigung. Außerdem widerstrebte es mir grundsätzlich, sie zu Haustieren zu machen. Ich glaube, daß Wildtiere ihre Würde und ihre Überlebensfähigkeit in ihrer natürlichen Umwelt verlieren, wenn sie zahm genug werden, um vom Menschen Nahrung oder irgend etwas anderes anzunehmen. Mein Land sollte ein Refugium für Wildtiere sein, keine Suppenküche. Der Gedanke an ein Haustier war daher naheliegend.
    Im zweiten Hüttensommer schaffte ich mir eine ebenholzschwarze Katze mit jadegrünen Augen an. Ich nannte sie

Weitere Kostenlose Bücher