Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Allein in der Wildnis

Allein in der Wildnis

Titel: Allein in der Wildnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne LaBastille
Vom Netzwerk:
werden.
    Ich beantragte meine Lizenz und kaufte noch ein paar Frequenzkristalle. Viele faszinierende Stunden bescherten mir die »Einstreuungen«. In Stakkato-Stößen, wahllos reflektiert von der Ionosphäre, kamen Signale aus der großen weiten Welt zum Black Bear Lake. Morgens hörte ich vielleicht texanische Garnelenfischer vor der Küste Yucatans rüde miteinander streiten; mittags kamen oft spanische Wortbrocken aus Havanna und San Juan; abends funkten Biber-Trapper aus Neuschottland oder Fischer vor Georgia an ihre Frauen, sie möchten Kabeljau mit Salzkartoffeln zum Abendessen. Aber die Einstreuungen waren nicht nur vergnüglich, sondern manchmal richtig ärgerlich. Oft störten sie die Meldungen, die ich übermitteln wollte oder mußte. Häufig war es unmöglich, durchzukommen. Dann war das CB-Gerät praktisch nutzlos. Trotzdem ließ ich es jeden Abend eine Stunde laufen. Alle ein, zwei Monate schleppte ich die Batterie mit dem Schlitten zu meinem Auto und tauschte sie gegen die geladene aus. So hatte ich immer Strom, als Nebeneffekt meiner Autofahrten.
    Zu der Zeit, da ich mein Kommunikationssystem verbesserte, experimentierte ich auch mit Toiletten- und Badeeinrichtungen. Zuerst nahm ich nachts einfach einen Nachttopf und trottete tags zum Toilettenhäuschen. Im Winter aber fror ich dann buchstäblich am Thron fest. Darauf begann ich, den Sitz mit in die Hütte zu nehmen und warmzuhalten, damit ich ihn angewärmt nach draußen nehmen konnte. Aber es war doch sehr umständlich, jedesmal die Winterkluft und Schneeschuhe anzuziehen und fünfundsechzig Meter zu laufen. Schließlich installierte ich in der Küche eine Art Chemie-Klo mit großen Plastiktüten und einer geruchstötenden und zersetzungsfördernden Speziallösung. Jetzt lag mein Örtchen in relativer Wärme, und nur noch einmal am Tag begab ich mich mit der Tüte auf den Marsch zum Toilettenhaus.
    Noch nie war ich mir des Funktionierens des menschlichen Körpers bewußter gewesen, besonders des konstanten und berechenbaren Flusses der Abfälle. Das waren nicht Stoffe, die man nonchalant durch eine weiße Schüssel wegspülte, damit sie den nächsten Fluß verdreckten. Das waren Teile von mir, die geplant und umweltfreundlich — wie man so schön sagt — entsorgt werden wollten. Dieser feinst ausbalancierte magische Akt der Physis — bei dem Nahrung, Luft und Wasser hineingelangten, Glukose, Pyruvat, Milchsäure und Sauerstoff kettenreagierten, Energie und Wärme frei wurden und Kot, Urin, Kohlendioxid und andere Abfälle hinausgingen — hielt meinen Körper in Betrieb wie ein Präzisionsuhrwerk. So konnte ich warm bleiben, atmen, mich bewegen inmitten der todesähnlichen Winterstarre, inmitten lebloser Schneehaufen, gefrorener Bäche, Eisflächen, unbeweglicher Bäume, regungsloser Felsen, auf betonähnlichem Boden. Ich glaube nicht, daß der Mensch in der Stadt, in einer umgekrempelten Umwelt, sich für ein physiologisches Meisterwerk halten kann. Aber hier in den Wäldern im Winter entwickelt man für seine Lebensfunktion ein nahes, intensives Gespür.

    Zum Baden versuchte ich alle möglichen Techniken, vom Abreiben mit dem Schwamm bis zur schwedischen Sauna. Die beste Methode war, einen runden Pferdetrinktrog aus Metall mit drei Eimern Wasser zu füllen, mich hineinzuquetschen und einen gummierten Poncho, aus dem mein Kopf oben herausschaute, über den Trogrand zu ziehen. Dadurch blieben Wärme und Dampf drinnen. Diese Roßbäder nahm ich meist auf der hinteren Veranda, oft unter fallenden Schneeflocken. Wurde es richtig kalt, nahm ich zwei Eimer, eine Schöpfkelle und eine kleine Plastikwanne voll siedend heißem Wasser, trug alles ins Freie in den Schnee, stellte mich in die Wanne, damit meine Füße warm blieben, und goß mir das brühheiße Wasser über Kopf und Körper. Jedes Fleckchen Haut dampfte. Ungefähr eine Minute hatte ich, um mich abzuseifen und die Haare zu waschen, ehe die Kälte durchdrang. Eine Schöpfkelle, und mir war wieder warm. Gießen. Haare spülen. Hände und Füße schrubben. Gießen. Spülen. Genau zwei Eimer reichten. Solange kein Wind wehte, hielt das heiße Wasser meine Hauttemperatur erträglich hoch. Dann ein bißchen im Schnee gewälzt und rasch zum Feuer geeilt. Solche Bäder habe ich bei minus dreiundzwanzig Grad genommen und mich hinterher kannibalisch wohlgefühlt.
    Winterzeit, einsame Zeit — selbst bei gelegentlichen Ausflügen in die Stadt, Vogelbesuch am Futterhäuschen, einem Baumstachler unter

Weitere Kostenlose Bücher