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Allein in der Wildnis

Allein in der Wildnis

Titel: Allein in der Wildnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne LaBastille
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regte sich in dem Dörfchen, und zwei verschlafene Frühstücksgäste saßen bereits an der Theke. Eine nette Dame mittleren Alters schnitt eine Apfeltorte auf.
    »Drei Kaffee?« fragte sie munter.
    » Zwei Kaffee und eine Magentablette«, murmelte ich und suchte den Anblick und den Duft der Torte zu verdrängen.
    Dann erholte ich mich aber doch recht schnell und war bereit, den Piloten und seine Maschine auf den Film zu bannen.
    »Hier ist eine gute Stelle«, deutete er und sprang auf sein Flugzeug. »Nehmen Sie den See als Hintergrund, vorn den Strand und das Herbstlaub. Ich knie mich auf die Schwimmkufe, und Sie schießen die Maschine vor dieser Kulisse. Ich brauche etwas Repräsentatives für meine Werbeplakate.«
    »Alles klar«, nickte ich.
    Als die Fotos im Kasten waren, brachte er uns zum Black Bear Lake zurück. Das kleine Flugzeug mutete jetzt definitiv wie ein Wassertaxi an, ideal für schnelle Stippvisiten überall im Gebirge. Steifgliedrig kletterten Nick und ich aus dem Cockpit. Nick zückte die Brieftasche. Für die dreistündige Super-Tour wollte der Pilot nur dreißig Dollar. »Schicken Sie mir einfach die Abzüge, wenn sie fertig sind«, grinste er und stieß gekonnt von meiner Lände ab. Dem Maschinchen nachblickend, das flink über die Hügel verschwand, sinnierte ich, daß es vielleicht doch schön wäre, wenn ich fliegen könnte und wenn in der Bucht bei meiner Hütte mein eigenes Wasserflugzeug vor Anker läge. Vielleicht, eines Tages...
    Von dem Flug ausgepumpt und überwältigt, saßen Nick und ich schweigend auf den Stühlen des Sonnendecks und ließen die Ruhe und den Frieden wieder in uns einfließen. In gedrängter Überschau hatten wir an einem einzigen Morgen die ganze Länge und Breite, die ganze verschlungene Vielfalt der Berge gesehen. Für eine solche Reise hätte Verplanck Colvin, der erste staatliche Landvermesser der Adirondacks, zu Fuß Jahre gebraucht.
    »Nick«, sagte ich ernst, »ich bin so froh, daß wir geflogen sind. Ich habe viel über meinen Hinterhof gelernt. Wie eines der Kinder geschrieben hat: >Von jetzt an werde ich sowohl Freude als auch Staunen in meine Gedanken über die Adirondacks stecken.< Sind sie nicht herrlich! Ich hoffe inständig, daß ich immer hierbleiben kann.«
    Nick warf mir einen merkwürdigen Blick zu. »Willst du denn nie von hier weg?« fragte er beiläufig.
    »Nein, jedenfalls nicht, solange wir die Berge so bewahren können, wie sie sind.«
    »Deshalb haben sie ja auch die Adirondack-Parkverwaltung geschaffen«, erwiderte er mit leichter Irritation in der Stimme. »Damit das ganze Land — das öffentliche und das private — geschützt wird, der Wildnis-Charakter erhalten bleibt und dem Wachstum Grenzen gezogen werden. Im Grunde«, fuhr er fort, »mußt du es dir als riesigen Flächennutzungsplan für mehr als 9 300 Quadratkilometer staatliches Parkgebiet und 15 000 Quadratkilometer Privatland vorstellen.« Ruhelos rückte er seinen Stuhl an eine sonnige Stelle. »In meinen Augen ist es der fortschrittlichste Landnutzungsplan in den Vereinigten Staaten.«
    »So gut wie die von Vermont und Oregon und Hawaii?« forderte ich ihn heraus.
    »Besser!« sagte er knapp. Offenbar war er zu dem Schluß gekommen, daß die Gesetze zum Schutz der Adirondacks eine Meisterleistung darstellten.
    »Aber du solltest die Schrecklichkeiten hören, die die Ortsansässigen darüber sagen«, erwiderte ich, den Advocatus Diaboli spielend. »Ein Mann sagte zu mir: >Lieber brenne ich den ganzen Wald ab, als daß ich mir von der Parkverwaltung vorschreiben lasse, was ich zu tun habe!< Und ein anderer nennt es >den größten Landraub seit der Bolschewikenrevolution<.«
    »Klar«, sagte Nick verdrießlich. »Das ist normal. Bei eurem dickköpfigen Individualismus hier oben. Ihr würdet gegen jede Kontrolle, gegen jeden Nutzungsplan sein. Ihr wollt alle leben wie die Bergziegen — frei und wild. Ihr seid nur so lange zufrieden, wie euch keiner irgendwelche Vorschriften macht.«
    Ich konnte nicht heraushören, ob er im Ernst oder im Scherz sprach.
    »Na, eines ist sicher«, sagte ich, »die Verwaltungsbehörde hat, über allen lokalen Zwist hinweg, hier oben zum erstenmal eine Art Gemeinschaftsgefühl entstehen lassen. Vorher hat nichts die Einheimischen zusammengehalten — keine geschichtliche Tradition, keine kulturellen Gemeinsamkeiten, nichts...«
    »Außer Starrsinn und übertriebenem Unabhängigkeitsbedürfnis«, unterbrach Nick zynisch.
    »...kein Dialekt, keine

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