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Allein in der Wildnis

Allein in der Wildnis

Titel: Allein in der Wildnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Paulsen
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Hühnervögel immer zu spät.
    Schon hatte Brian den See halb umrundet und unterwegs hatte er mindestens zwanzig Vögel aufgescheucht. Jetzt gab er es auf und setzte sich unter einen Baum. Er musste nachdenken und herausfinden, was er falsch machte. Dummvögel gab es genug hier in der Gegend und er hatte zwei Augen. Diese beiden Tatsachen musste er irgendwie in Einklang bringen.
    Irgendetwas machte er falsch. Wie aber sollte er es richtig machen …? Grübelnd hockte er unter dem Baum, während die Sonne höher stieg. Er zermarterte sich das Hirn, bis ihm heiß wurde – ob vor Anstrengung oder von der Sonnenglut, das wusste er nicht. Endlich stand er auf und wandte sich zum Gehen. Im selben Moment flatterte ein Vogel auf. Er hatte die ganze Zeit dort im Gras gesessen, während Brian sich den Kopf zerbrach, wie er es anstellen sollte, zu einem glücklichen Schuss zu kommen.
    Brian heulte beinahe vor Wut.
    Er schaute dem Vogel nach, der schnurrend zum See hinausflog. Weil er anscheinend merkte, dass er dort auf dem Wasser nicht landen konnte, machte er kehrt und flog zu den hohen Fichten am Fuß des Hügels hinüber. Gerade in diesem Moment, als er im gleißenden Sonnenlicht zwischen den Wipfeln verschwand, sah Brian den Vogel nur noch als Umriss, als Silhouette. Stromlinienförmig wie ein Geschoss zeichnete sich die Form vor dem Himmel ab: vorne ein spitzer kleiner Kopf, der in einen rundlichen Körper überging.
    Wie eine Birne!, lachte Brian. Vorne spitz auslaufend und nach hinten schwer und rund. Wie eine fliegende Birne.
    Das war des Rätsels Lösung. Bislang hatte Brian nach einem Vogel gesucht – nach Federn, nach einer bestimmten Färbung, nach der Figur eines Vogels im Gras oder im Gebüsch. Jetzt aber wollte er sein Auge darauf trainieren, nicht mehr die Farbtupfer des Gefieders, sondern die Form des Vogelkörpers wahrzunehmen. Auch wenn er sich noch so gut tarnte.
    Es war, als sei Brian ein Licht aufgegangen. Er sah plötzlich Dinge, die er niemals zuvor gesehen hatte. Kurz nacheinander entdeckte er drei dieser dummen Vögel, kurz bevor sie vor ihm aufflatterten. Er sah sie im Unterholz sitzen und konnte sich vorsichtig nähern. So nah, dass er sogar einen Schuss mit Pfeil und Bogen wagen durfte.
    Beim ersten Mal schoss er daneben. Und er schoss noch viele Male daneben. Immerhin sah er jetzt die Vögel in ihrem Versteck. Er entdeckte die Umrisse ihres birnenförmigen Körpers. Immer wieder spannte er seinen Bogen und ließ einen Pfeil von der Sehne schnellen.
    Er traf kein einziges Mal. Noch hatte er keine Federn am Ende der Pfeile befestigt und darum flogen sie, wohin sie wollten. Selbst wenn der Vogel, auf den Brian zielte, kaum einen Meter von ihm entfernt war, konnte der Pfeil nicht die Richtung halten und landete seitwärts in den Sträuchern. Irgendwann aber verlor er die Lust. Fische konnte man mit einem Pfeil erbeuten, falls sie knapp eine Handbreit vor der Pfeilspitze schwammen. Aber auf weitere Entfernung traf der Pfeil nicht ins Ziel.
    Zum Glück hatte Brian auch seinen Speer mitgenommen. Den alten Fischspeer mit der gegabelten Spitze. Jetzt hängte er den Bogen über die Schulter und nahm den Speer in die Hand.
    Aber er war nicht geschickt genug – und viel zu langsam. Die Vögel waren wachsam und flink und auch gar nicht so dumm, wie es schien.
    Endlich entschloss Brian sich, eine List anzuwenden. Als er das nächste Mal einen Vogel in seinem Versteck entdeckte, schlich er sich seitlich heran und tat so, als wollte er an ihm vorbeigehen. Bis er so nah war, dass er die Beute fast mit der Speerspitze berühren konnte. Zweimal stieß er zu, aber vergebens. Wieder schoss der Vogel mit trommelnden Flügeln davon. Aber beim nächsten Versuch – auf einer Lichtung am See, nicht weit von dem Biberbau – hatte er endlich Glück. Brian erlegte sein erstes Wild.
    Der Vogel hatte sich vor ihm ins Gras geduckt. Brian hatte sich vorsichtig angeschlichen und seinen Speer geschleudert. Mit der gegabelten Spitze hatte er die Beute am Boden festgenagelt. Der Vogel flatterte nur noch kurz, dann war er tot. Brian schwenkte ihn hoch und jubelte über sein Jagdglück.
    Schnell sammelte er Speer und Bogen auf und lief am Seeufer entlang zu seinem Lager. Das Feuer war niedergebrannt, beinahe erloschen. Nur ein paar Holzkohlen glühten noch in der Asche, die bald wieder aufflackerten, als Brian sie anfachte. Nun saß er im Sand, sein erstes erlegtes Waldhuhn auf den Knien, und fragte sich, was er damit anfangen

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