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Allein mit dem Teufel: Roman (German Edition)

Allein mit dem Teufel: Roman (German Edition)

Titel: Allein mit dem Teufel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erin Duffy
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anfuhr, nahm sich aber die Zeit, sich umzudrehen und mir wie ich annahm echt beleidigende und wenig originelle Obszönitäten in einer fremden Sprache hinterherzubrüllen. Ich sammelte meine Handtasche auf, die sich glücklicherweise nicht auf die Straße entleert hatte, und suchte mich nach Verletzungen ab. Meine Jeans war eingerissen, mein linkes Knie blutete, und die Handfläche meiner linken Hand war stark aufgeschürft. Ich war so erledigt, dass ich das Einzige tat, was eine anständige, blutende, deprimierte New Yorkerin tun konnte: Ich ging in ein Restaurant und setzte mich an die Bar.
    Der Barkeeper, ein kräftiger Typ mit einer Knochenstruktur, die aussah, als wäre sie aus Granit gemeißelt, begrüßte mich. »Hey, wow, alles in Ordnung mit Ihnen?«, erkundigte er sich und betrachtete mein blutendes Knie.
    »Oh, jawohl, alles bestens. Ich hege allerdings die Hoffnung, ein Glas Pinot Grigio zu bekommen. Ein großes.«
    Er überprüfte die Wanduhr. »Sicher. Die Küche ist zwar im Moment geschlossen, aber die Bar ist geöffnet. Und auch wenn das nicht der Fall wäre, glaube ich nicht, dass ich das Herz hätte, eine Frau abzuweisen, die so offensichtlich einen Drink braucht.«
    »Danke, sehr freundlich.« Er füllte ein Glas und stellte es auf eine Serviette vor mich. Dann drehte er sich um zum Waschbecken und wuselte da herum. Ich nahm einen Schluck Wein. Genau das, was der Arzt empfohlen hatte.
    »Hier.« Er drehte sich wieder zu mir um und reichte mir eine provisorische Eispackung. Er hatte Eiswürfel in ein weißes Geschirrhandtuch gewickelt, das ich mir aufs Knie legte.
    »Danke«, sagte ich, gerührt von der unerwarteten Freundlichkeit eines absolut Fremden. »Ich bin Alex. Freut mich, Ihre Bekanntschaft zu machen.«
    »Matt Matthews.« Er schüttelte mir die Hand. »Gleichfalls. Ehrlich gesagt bin ich froh, dass Sie gekommen sind. Um diese Tageszeit ist es immer schrecklich öde. Ich freue mich über Gesellschaft. Tagsüber hinter der Bar zu stehen, ist ein einsamer Job.« Matt sah gut aus auf die Art, wie ein Bauunternehmer oder der Typ, der in der Eisenwarenhandlung an der Ecke arbeitet, aussah: Er sah aus wie jemand, der schon einiges erlebt hat. Seine Arme – jedenfalls das, was ich von ihnen sah –, waren mit verschnörkelten Tattoos bedeckt. Er wirkte so, als hätte er viele Geschichten zu erzählen, und als könnte er Dinge reparieren. Und das war nie unattraktiv.
    »Kann ich mir vorstellen«, sagte ich. »Wie lange sind Sie hier schon der Barkeeper?«
    »Seit sechs Monaten. Ich mache gerade eine Ausbildung zum Koch.«
    »Koch? Das ist cool.«
    »Danke, finde ich auch. Und, was ist mit Ihnen passiert? Hier kommen nicht allzu viele junge Damen mitten am Tag hereingeschneit, die bluten und einen Drink wollen. Wenn sie es täten, wäre dieser Job sehr viel lustiger.«
    »Sie würden es mir nicht glauben, wenn ich es Ihnen erzähle«, sagte ich.
    »Ich bin Barkeeper. Sie wären überrascht, was ich alles glaube.«
    »Ich bin von einem Fahrradkurier angefahren worden. Er hat nicht mal angehalten. Es war, als wäre ich seine eigene persönliche Bremsschwelle.« Ich tupfte mir meine aufgeschürfte Hand mit einer Serviette ab.
    »Wissen Sie was? Ich bin immer wieder erstaunt, dass das nicht viel häufiger passiert. Ich bin schon mehr als einmal beinahe umgemäht worden. Allerdings ist mir noch niemand begegnet, der tatsächlich umgefahren wurde.«
    »Heute ist Ihr Glückstag.«
    »Scheint so. Haben Sie noch Zeit für eine zweite Runde? Oder müssen Sie zurück zur Arbeit?«
    Ich blickte auf meine Armbanduhr. Halb fünf. Ich fühlte mich ziemlich gut für halb fünf, aber es konnte nicht schaden, noch ein Glas zu trinken, richtig?
    Ich nickte. »Noch eine Runde, Matt Matthews, danke.«
    Ich dachte daran, ihn darüber aufzuklären, warum ich nicht bei der Arbeit war, und mir schoss kurz durch den Kopf, dass das zu viel Information sein könnte. Aber warum nicht?, entschied ich dann – oder vielleicht traf diese Entscheidung auch der Wein für mich. Wie auch immer, ich fuhr fort: »Nein, kein Job, zu dem ich zurück muss. Genau genommen habe ich mir diesen Tag freigenommen, um mein seelisches Gleichgewicht wiederzufinden. Demzufolge kann ich mitten am Tag an einer Bar sitzen.«
    »Der Tag des seelischen Gleichgewichts, hm? Was ist passiert?«, fragte er.
    »Dies ist eine dieser Fragen, von der Sie gleich wünschen werden, sie nie gestellt zu haben.«
    »Ich möchte es hören«, versicherte er mir.

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