Allein mit dem Teufel: Roman (German Edition)
etwas hasse, dann ist es, in der Öffentlichkeit zu weinen, auch wenn »Öffentlichkeit« nur zwei Maniküren und eine Freundin hieß. Das waren immer noch drei Personen zu viel.
Piep. Mein Kopf schoss vor. Ich blickte auf mein Handy, dessen rotes Licht mich höhnisch anblinkte. Ich stürzte mich förmlich darauf. Und dann spürte ich, wie sich alles in mir verkrampfte, als die nur-zu-vertrauten Gefühle von Hoffnung und Enttäuschung aufeinanderprallten.
SMS VON KIERIAKIS, RICK:
ICH HÖRTE, SIE HATTEN GEBURTSTAG. ICH WÜRDE NUR ZU GERN MIT IHNEN FEIERN. TREFFEN WIR UNS DIESE WOCHE ZUM DINNER.
Annie las die Nachricht und stellte mein Handy aus. »Das reicht! Du wirst nicht eine Minute länger dieses Ding anstarren. Der einzige Mann auf der Welt, der ein noch größeres Arschloch ist als Will, ist Rick.«
Ich stimmte ihr achselzuckend zu. Ich weigerte mich, die Tatsache zu akzeptieren, dass ich irgendwie mitschuldig war an der Tragödie meines Lebens. Meine Stimme brach, als ich flüsterte. »Ich kann morgen nicht zur Arbeit gehen.«
»Doch, kannst du. Wenn er mitbekommt, wie sehr er dich verletzt hat, wird es noch hundertmal schlimmer.«
»Schau mich an, Annie! Mit einem Blick weiß er, wie erschüttert ich bin. Ich bin total hinüber! Hast du irgendwelche Schmerztabletten?«, bat ich.
»Tut mir leid, keine Betäubungsmittel.«
»Du bist mir vielleicht eine Freundin! Trinken wir einen Cocktail?«
»Trinken ist eine ganz schlechte Idee. Kein Alkohol.«
Wie es aussah, hatte ich keine andere Wahl. »Ja, Mom.«
Ich wachte auf und spürte nur eine Empfindung: Wut. Ich wollte Will bei der ersten sich bietenden Gelegenheit die Meinung geigen, und sollte das irgendjemand mitbekommen, auch egal.
Beim Betreten des Handelssaals gab ich vor, intensiv die Wirtschaftsseite der Zeitung zu lesen und vermied sorgfältig, in Wills Ecke zu sehen. Als ich um die Ecke bog und auf meinen Schreibtisch zuhielt, sprang Patty von ihrem Stuhl hoch und eilte auf mich zu. Ich hatte vergessen, dass ich ihr von meiner Verabredung mit Will erzählt hatte. Ich gab mir alle Mühe zu lächeln und nicht wie jemand zu wirken, dessen Inneres gerade püriert worden war. Patty hakte mich unter und drehte mich in die andere Richtung. Ohne ihre Schritte zu verlangsamen sagte sie fröhlich: »Hi, wir gehen wieder zurück.«
»Ja, das sehe ich. Warum?«
»Wir müssen reden.«
»Wohin gehen wir?«, fragte ich. Sie antwortete nicht. »Patty, lass mich bitte in Ruhe! Ehrlich, wenn du wüsstest, was für ein Wochenende ich hinter mir habe, wäre dir klar, warum ich heute Morgen einfach kein weiteres Drama verkrafte. Ich bin kurz vorm Ausflippen. Was auch immer es ist, es kann warten.«
»Ich glaube, ich kann mir einigermaßen vorstellen, wie dein Wochenende war. Vertrau mir, Alex! Wir gehen in die Damentoilette im sechsten Stock. Da ist nie jemand.«
Panik überfiel mich. Wenn sie glaubte, wir müssten die Etage wechseln, hatte sie mir etwas sehr, sehr Schlimmes zu sagen und wollte vermeiden, dass irgendjemand meinen drohenden Zusammenbruch mitbekam.
Sie konstatierte nüchtern: »Du siehst nicht gut aus.«
»Sag bloß.«
»Ehrlich, Alex.«
»Ehrlich, Patty – sag bloß.«
»Es tut mir leid, dass das passiert ist. Ich hasse ihn!«, sagte sie mit zusammengebissenen Zähnen.
Ich blieb umgehend stehen und weigerte mich weiterzugehen, wie ein störrischer Hund, der an seiner Leine zerrte und partout nicht aus dem Park wollte. »Moment mal! Woher weißt du, was passiert ist?«
»Ich glaube nicht, dass du weißt, was passiert ist. Wenn du es wüsstest, bezweifle ich, dass du hier wärst.«
Die Angst vor dem, was Patty mir eröffnen wollte, wich dem Schock bei dem Anblick, der sich uns bot, als wir die Damentoilette betraten. Vor uns stand, in all ihrer Silikonpracht, Baby Gap. Sie hatte einen kleinen Reisefön an die Steckdose über dem Waschbecken angeschlossen und trocknete sich im Spiegel ihre Haare. Da es sieben Uhr morgens war und es keine Duschen im Gebäude gab, wäre es schon seltsam genug gewesen, sie auf der Damentoilette mit nassen Haaren und einem Fön vorzufinden. Wirklich schockierend war, dass sie praktisch nackt vor uns stand. Ihr roter Spitzen- BH , der knapp ihre chirurgisch vergrößerten Brüste bedeckte, und ein passender roter Tanga enthüllten mehr, als ich unbedingt sehen wollte. Sie war barfuß und hatte Cremes, Kosmetika, Parfüm und einen Rasierer vor sich ausgebreitet. Offenbar waren wir nicht die Einzigen, die sich
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