Allein mit dem Teufel: Roman (German Edition)
irgendjemand sie nicht zurückgerufen hat. Capiche? Gehen wir.«
Chick erhob sich, ohne mir Gelegenheit für eine Antwort zu geben. Ich war noch nie in meinem Leben einem Menschen begegnet, der so nett und gleichzeitig derartig verrückt zu sein schien.
Wir gingen in den Handelssaal, einen riesigen Saal, der wie ein Hufeisen geformt war mit mächtigen, hermetisch abgeriegelten Fenstern und einer Decke, die hoch genug war, um ein Zirkuszelt unterzubringen. So hatte ich ihn mir nicht vorgestellt. Wenn ich meinen Vater begleitet hatte, hatte ich nie einen Fuß in einen Handelssaal gesetzt. Investmentbanker hatten Insiderinformationen über Fusionen, Aktienofferten und Übernahmen und mussten von den Händlern getrennt arbeiten, damit diese Insiderinformationen geheim blieben. Ihre Etagen waren sauber und ordentlich – rundum poliertes Holz, üppige Teppiche und Einzelbüros. Sie hatten sogar ihren eigenen Fahrstuhl. Was mir mein Dad über meine neue Arbeitsplatzumgebung erzählt hatte, wurde dem nicht gerecht. Der Unterschied zwischen dem Cromwell-Pierce-Handelssaal und der Investmentbanking-Etage von Sterling Price war gewaltig. Hier sah es noch aus wie in den Siebzigern. Die Wände waren früher sicher mal weiß gewesen, aber jetzt hatten sie eine schmuddelig cremefarbene Färbung angenommen. Die Resopalschreibtische waren zerschrammt und voller Flecken, unter abgebrochenen Ecken wurde die braune Korkfüllung sichtbar. Ich wollte lieber nicht daran denken, dass diese Tische wahrscheinlich noch aus der ersten Generation Cromwell-Schreibtische stammten. Denn wenn ich mir vorstellte, wie viele Menschen an ihnen geniest, gehustet, gegessen und Gott weiß was noch alles im Laufe der letzten vierzig Jahre getan hatten, würde ich wahrscheinlich in einem Plastikoverall zur Arbeit kommen und Latexhandschuhe tragen.
Ich blickte auf den Fußboden, als ich den Hindernislauf durch die Reihen zu unserem Desk in der hinteren Ecke des Raums antrat. Ich spürte die Blicke der Männer, während ich an ihnen vorbeiging. Die Kerle musterten die Länge meines Rocks und den Sitz meines Pullovers, nur für den Fall, dass ich einen Knopf übersehen hatte, oder gar, Gott bewahre, sich meine Unterhose abzeichnete. Es war etwas, woran ich mich gewöhnen musste.
Die Anspannung im Raum war spürbar. Leute brülltenZahlen, sie brüllten sich gegenseitig zu, ans Telefon zu gehen, oder sie brüllten einfach nur um des Brüllen willens. Meine Ohren summten, und mir war unklar, wie man überhaupt ein Wort verstehen konnte im allgemeinen Chaos. Es waren mindestens vierhundert Leute im Fixed-Income-Handel von Cromwell Pierce beschäftigt. Die meisten von ihnen waren laut. Die meisten von ihnen waren aggressiv. Die meisten von ihnen freuten sich auf die Gelegenheit, Neulinge hochzunehmen.
Die meisten von ihnen waren männlich.
Plötzlich tauchten Chicks Hände vor meinem Gesicht auf und fingen einen Fußball, der sein beabsichtigtes Ziel verpasst hatte. Es sei denn, das Ziel war ich gewesen.
»Pass auf, Smitty! Wenn das neue Mädchen an seinem ersten Tag einen Fußball ins Gesicht kriegt, wirst du ins Büro des Vorgesetzten zitiert.«
Mir wäre gern etwas eingefallen, was das unbehagliche Schweigen gebrochen hätte, aber mir fiel nichts Besseres ein als: »Wird hier Fußball gespielt?«
»Manchmal tun wir es. Du nicht. Du wirst viel zu beschäftigt sein mit Lernen, um Zeit zum Spielen zu haben. Capiche?«
»Klar. Ich finde es toll, hier zu sein, und ich bin bereit, hart zu arbeiten.«
»Das ist gut, Alex, weil wir dich sonst hier auch nicht haben wollen.«
Ein dünner, blasser, rothaariger Mann und eine geradezu lächerlich schlanke Frau kamen auf uns zu. Sie blieben stehen, und der Typ nickte mir zu. Seine Haut war durchsichtig, und seine Augen so hell, dass sie ebenfalls beinahe durchsichtig schienen. Ich musste sofort an den Schwächling im Highschool-Footballteam denken, der immer die Ausrüstung tragen musste und nie mitspielen durfte. Ich hatte immer geglaubt, dass diese Klappergestelle später Fett ansetzten. Ich hatte mich geirrt.
»Wer ist das?«, fragte er mit roboterhafter Stimme.
»Alex. Meine Neue«, antwortete Chick knapp.
»Hi«, sagte ich.
»Hi!«, säuselte die blonde Streichholzfrau und stürzte sich förmlich auf mich. »Oh, wie toll! Jetzt hab ich eine Freundin! Hier gibt es nicht viele Frauen, mit denen man sich unterhalten kann!« Sie umarmte mich.
Das rothaarige Heinzelmännchen musterte mich und sagte: »Chick,
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