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Allein unter 1,3 Milliarden: Eine chinesische Reise von Shanghai bis Kathmandu

Allein unter 1,3 Milliarden: Eine chinesische Reise von Shanghai bis Kathmandu

Titel: Allein unter 1,3 Milliarden: Eine chinesische Reise von Shanghai bis Kathmandu Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Y. Schmidt
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große Tibeter-Freund Heinrich Harrer in ‹Sieben Jahre in Tibet›, sei das Wort Khampa im restlichen Tibet gewesen, und schildert eine «gefährliche Begegnung mit den räuberischen Khampas», die er und sein Freund Aufschnaiter nur knapp überlebten. Natürlich gaben die Khampas auch nach dem Einmarsch der chinesischen Armee in Tibet keine Ruhe. Als sie Mitte der fünfziger Jahre ihre Waffen abgeben sollten, begannen sie einen Guerillakrieg, der bis Anfang der siebziger Jahre dauerte. Unterstützt wurden sie dabei zunächst von der CIA, die sie mit Waffen versorgte und auf amerikanischen Militärbasen im Pazifik ausbildete, einige sogar in einem geheimen Camp in Leadville, Colorado. Gescheitert sind die Khampas schließlich nicht nur an der chinesischen Armee, sondern auch, weil die Häuptlinge der einzelnen Khampa-Täler gegeneinander Krieg zu führen begannen. Hätten sie die Chinesen besiegt, dann sähe es heute wohl im Osten Tibets und in Westsichuan so aus wie in Afghanistan, wo archaische Stammesfürsten und Warlords einerseits gegen äußere Feinde, andererseits gegen Rivalen im Inneren einen immerwährenden Krieg führen.
    Ich habe mir meine Informationen über die Khampas selbst zusammengesucht, denn von Bart erfahre ich kein Wort. Ich habe aber auch nichts anderes erwartet. Chinesische Guides, so schreibt eigentlich jeder Reiseführer, taugen in Tibet und den tibetischen Siedlungsgebieten wenig, da sie sich in der Regel für die Gegend und die Leute nicht sonderlich interessieren. Das bestätigt sich auch, als ich in Tagong das erste größere tibetische Kloster auf der Strecke besichtigen will. «Kannst reingehen und Fotos machen», sagt Bart vor dem Eingang, «ich warte hier draußen so lange mit Dorje.» Wahrscheinlich ahnt er nicht einmal, dass man für gewöhnlich unter einem Guide jemanden versteht, der einen begleitet und Sehenswürdigkeiten erklärt.
    Ohne kompetente Führung entfällt bei mir leider das tiefere Verständnis für das, was ich im Inneren des Tagong-Klosters sehe. Ich bemerke aber, dass die tibetischen Buddhisten im Unterschied zu den chinesischen auch eine Reihe von Mützenträgern verehren. Das müssen die weltweit so beliebten Dalai Lamas sein. Ansonsten erinnert mich das Interieur an das von Hippiewohngemeinschaften, in denen ich in den siebziger Jahren wohnte. Die Wände sind schön bunt angemalt, und überall hängt Stoff herum. Es riecht es auch schön muffig. Und natürlich ist nicht aufgeräumt. In den Unterkünften im ersten Stock steht auf einem dicken Ledersofa ein Glas Coffeemate, und auf den Tischen stehen angebrochene Literflaschen Sprite und Cola. Im großen Versammlungsraum im Erdgeschoss liegen Pappbecher und Speisereste unter den langen Bänken, die als Tische dienen, und der ganzen Boden ist mit ausgespuckten Schalen von Sonnenblumenkernen übersät. Wie damals in der Wohngemeinschaft: Alle sauen rum, und keiner macht sauber.
    Mir ist das sehr sympathisch, und ich beginne zu begreifen, was manchen Westler an dem tibetischen Buddhismus so sehr fasziniert. Nur ein Eindruck will nicht so recht zum Bild einer entspannten Hippiereligion passen. Ein Mönch, den ich dabei beobachte, wie er eifrig die vielen Scheine einsammelt, die sich in unordentlichen Bergen unter den Buddhastatuen und den Fotos der aktuellen Führer der unterschiedlichen buddhistischen Sekten angesammelt haben. Anschließend macht er aus den Scheinen auf einem Altar schöne Stapel, säuberlich getrennt nach Nennwert und Ursprungsland, denn auch koreanische Won und Hongkongdollar wurden gespendet. Der Mönch betrachtet das viele Geld wohlgefällig, und ich summe vor mich hin: Oh money, money come. Aber ich will den Mönchen nicht unrecht tun. Schließlich wird das Geld dringend gebraucht. Nebenan hat man gerade erst einen neuen Tempel zu Ehren des Zehnten Panchen Lama errichten müssen und allein in der Kuppel hundert Kilogramm Gold verbaut. Nur ginge es nicht vielleicht auch mal ’ne Nummer kleiner? In China wahrscheinlich nicht.
    Bloß die Ortschaften in Westsichuan sind wirklich viel kleiner als im Rest des Landes. Xiaojin hat vielleicht geschätzte zehntausend Einwohner und Tagong kaum mehr als tausendfünfhundert. Auch Xinduqiao, ein Dorf an einem idyllischen Fluss, in dem wir übernachten, ist mit dreitausend Einwohnern für chinesische Verhältnisse praktisch unbewohntes Ödland. Hier stoßen wir auch wieder auf die 318, nunmehr exakt 2897 Kilometer von Shanghai entfernt.

    Barts Plan sieht

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