Allein unter Deutschen: Eine Entdeckungsreise (German Edition)
Buch?
»Ich bin heute leider sehr müde und muß auch noch zur Arbeit.«
Eine der Schwestern mischt sich ein: »Das kann man googeln!« Was sie auch tut. Sie findet die Stelle durch eine Google-Suche. Ich sage ihnen, daß wir sie im Original überprüfen müssen, im Koran selbst. Wir schlagen den Koran auf, gehen zu der Sure und dem Vers, den sie aus Google haben, können aber nichts von einem Hijab-Gebot finden. Es folgt eine zweistündige Diskussion, bei der die Schwestern lautstark und leidenschaftlich ihren Glauben bekunden. Ich nehme für einen Augenblick die schöne Samide zur Seite.
Samide, verraten Sie mir: Wären Sie gerne eine Paradiesjungfrau?
»Wer wäre das nicht!«
Hamiyet, die mitgehört hat, fällt ihr sofort ins Wort. Mit erhobener Stimme fährt sie mich an:
»Warum sprechen Sie davon, wollen Sie sich über uns lustig machen?!«
Hamiyet redet lauthals auf ihre Schwester ein, auf türkisch, damit ich nichts verstehe. Doch greift sie zu einigen islamischen Ausdrücken, die mir vertraut sind. Auf Geheiß ihrer älteren Schwester revidiert Samide ihre Aussage. Sie will nun in den Himmel kommen, um Allah zu begegnen, nicht als Paradiesjungfrau. Und dann geht sie ohne Vorwarnung an die Decke.
»Mir gefällt nicht, was Sie tun. Ich ärgere mich über Sie!«
Ich beruhige sie. Das dauert eine Weile. Am Ende umarmen wir uns.
Gute Nacht, meine Liebe!
Am nächsten Morgen bereitet mir Mustafas Mutter ein so köstliches Frühstück zu, daß ich verkünde, jeden Morgen bei ihr zu Gast sein zu wollen. Als wir unseren türkischen Kaffee getrunken haben, stellt die Mutter ihre Tasse umgedreht auf einen Teller. Ihr Nachbar, ein Kaffeesatzleser, wird die Zukunft daraus lesen …
Mustafas Schwester, ein sehr intelligentes junges Mädchen, erzählt mir, ihr Traum sei, in die Türkei auszuwandern. »Ich bin eine Fremde in diesem Land, die Deutschen schauen auf mich herab.« Marxloh mißfällt ihr zutiefst, obwohl sie versteht, warum ihr Bruder sich so viel Mühe gibt, das Ansehen ihrer Geburtsstadt zu verbessern.
Wie sieht es mit deinen Freundinnen in der Schule aus, wollen die auch in die Türkei gehen?
»Ausnahmslos alle.«
Dann schlägt Mustafa vor, daß ich mich mit einem Kommunalpolitiker treffe. Ich erzähle diesem von der interessanten Begegnung mit Hamiyet & Co. Nach einigem Zögern ruft er den Imam an und berichtet ihm von deren antisemitischen Ausbrüchen. Es folgt ein langes Telefonat. Ein sehr langes. Als er endlich auflegt, meint er, der Imam sei schockiert und werde kommenden Freitag in der Moschee darüber sprechen. Das sei purer Antisemitismus, den er uneingeschränkt verurteilen werde.
Er erklärt mir dann, wie die Duisburger Merkez-Moschee funktioniert – genauer gesagt, wie die 900 Moscheen in Deutschland funktionieren. In der Türkei gibt es einen Rat von 80 Theologen, denen ein Präsident vorsitzt. Nach ihren Beratungen gibt der Präsident den Imamen der 900 Moscheen in ganz Deutschland, die zur DITIB ( Diyanet İsleri Türk İslam Birliği – der Türkisch-Islamischen Union der Anstalt für Religion) gehören, den Text ihrer Freitagspredigten vor. Erst nachdem diese Predigt beendet ist, dürfen die Imame über lokale Angelegenheiten sprechen. Ich kann es kaum erwarten …
Da es jedoch bis Freitag noch einige Tage sind, treffe ich mich zunächst mit Rainer, einem professionellen Fotografen. Er ist Deutschdeutscher und der dritte in jener Dreifaltigkeit, zu der Mustafa und Halil gehören und die das Team des Medien-Bunkers ausmacht.
»Ich komme gerade aus Palästina«, begrüßt er mich. »Sie reisen nicht nach Palästina?«
Unüberhörbar liebt er es, »Palästina« zu sagen.
As-Salamu ’Aleikum, Rainer. Reisen Sie von Zeit zu Zeit auch einmal nach Israel?
»Ich war gerade in Tel Aviv.«
Wie ich sehe, fällt es ihm schwer, »Israel« zu sagen.
Sie waren in Israel?
»Ich wollte nach Gaza, aber sie ließen mich nicht.« Sie .
Ich nehme an, Sie stehen auf der Seite der Palästinenser. Ist das so?
»Nein. Ich bin unvoreingenommen. Ich weiß, daß es zwei Seiten gibt. Ich suche nur nach Gerechtigkeit.«
Und Sie glauben, daß beide Seiten sich bessern müssen –
»Genau.«
Sie sind Fotograf, richtig?
»Ja.«
Haben Sie fotografiert, um die Ungerechtigkeit im Bild festzuhalten?
»Ja, das habe ich!«
Also haben Sie die Ungerechtigkeiten festgehalten, die die Israelis an unschuldigen Palästinensern verüben?
»Was wollen Sie damit sagen?«
Was haben Sie mit Ihrer
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