Allein unter Deutschen: Eine Entdeckungsreise (German Edition)
Kamera eingefangen?
»Die Trennmauer. Ich bin 50 Kilometer an ihr entlangmarschiert.«
Sie sind offensichtlich auf der palästinensischen Seite, stimmt doch, oder?
»Warum wollen Sie so etwas –«
Sie sind 50 Kilometer marschiert und haben fotografiert –
»Gerechtigkeit, Mann!«
Haben Sie auch näher vor Ihrer eigenen Haustür nach Gerechtigkeit gesucht? Zum Beispiel in Kurdistan, Tschetschenien –
»Was wollen Sie damit sagen?«
Warum sind Sie so auf Israel fixiert?
»Denken Sie vielleicht an etwas Bestimmtes –?«
Ich frage mich nur, warum ein Deutscher wie Sie so an Juden wie denen interessiert ist?
»Können wir darüber morgen sprechen?«
Klar, natürlich. Um wieviel Uhr?
»Um elf.«
Perfekt.
Es kommt ein neuer Tag, und ›morgen‹ ist heute. Ich finde mich für unsere Verabredung im Bunker ein. Es wird elf. KeinRainer. Zwölf. Kein Rainer. Eins. Kein Rainer. Zwei. Kein Rainer.
Ich verlasse den Bunker und gehe zur Moschee. Muß für die Deutschen beten. Halil schließt sich mir an. Als wir gerade den Rosengarten erreicht haben, kreuzen der Imam und der Vorsitzende des Moscheevereins, Herr Al, unseren Weg. Beide haben sich so richtig in Schale geworfen. Schlecht kann es ihnen nicht gehen. Ich wende mich an den Imam. Ich möchte wissen, ob man mit ihm über die »Juden« gesprochen hat.
Die Szenerie hier ist interessant, ja bühnenhaft. Die Moschee im Hintergrund, der im Entstehen begriffene Rosengarten direkt vor uns, und jeder spricht eine andere Sprache. Der Imam spricht türkisch. Halil dolmetscht. Auch der Vorsitzende Al bemüht sich zu übersetzen, besteht aber darauf, deutsch statt englisch zu sprechen. Ich versuche, mich auf arabisch an den Imam zu wenden, gewinne aber den Eindruck, daß er die Sprache nicht beherrscht, da er beim Türkischen bleibt. Also bediene ich mich wieder des Englischen.
Wird der Imam am Freitag eine Predigt über »die Juden« halten? Nicht wirklich. Wie sich herausstellt, ist er am Freitag noch nicht einmal in Deutschland, er fliegt in die Türkei. Hat man mich also mit Lügen abgespeist? So sieht jedenfalls die Version des Imams aus: Ja, man hat mit ihm gesprochen, doch sagte er in dem Gespräch nicht das, was der Politiker mir gegenüber behauptet hatte. »Ich sagte, daß ich der Sache nachgehen würde, um herauszufinden, ob es wahr ist, ob jemand diese Dinge gesagt hat. Ich sagte, daß ich nachforschen würde, wer das gesagt hat, und ich sprach mit meinem Vorgesetzten darüber, und er sagte, daß niemand in dieser Gemeinde irgend etwas gegen irgend jemand hat und daß es folglich auchkeinen Grund gibt, am Freitag eine Predigt darüber zu halten.«
Wie viele Mitglieder hat diese Gemeinde?
»1000.«
Haben Sie mit allen gesprochen?
»Nein.«
Ich versuche mir vorzustellen, woher er weiß, daß niemand etwas gesagt hat, wenn er nicht mit ihnen gesprochen hat.
Er erklärt es mir.
»Ich habe es nicht selbst gehört. Und wir können nichts aufgrund eines bloßen Verdachts tun …«
Also, dieses kleine Problem kann ich für den Imam und den Vorsitzenden lösen. Gitti ist nämlich hier. Sie war mit mir im Haus der türkischen Familie und hat alles mitgehört. Sie dürfte eine zuverlässige Zeugin sein, oder? Ich zeige auf Gitti und frage den Imam: Kennen Sie sie?
Brüsk bricht er das Gespräch ab: »Ich muß jetzt gehen!«
Gitti, die stets wachsame Moscheeapologetin, sieht dies voll Kummer. Und doch braucht sie keine Minute, um mit einer weiteren Theorie aufzuwarten. »Vielleicht«, sagt sie, »ist der Imam betrunken. Er hat kein Wort von dem gemeint, was er sagte. Er hat einfach ein Bier zuviel über den Durst getrunken.«
Sollte ihr nach all den Jahren, die sie Umgang mit Muslimen hat, immer noch nicht aufgefallen sein, daß diese keinen Alkohol trinken dürfen? Wird sie zu jeder Ausflucht greifen, wie unsinnig auch immer sie sei, nur um diesen Imam zu verteidigen?
An diesem Punkt muß sogar Halil lachen. Ich frage mich: Ist diese Fähigkeit, die Tatsachen mit kindischem Starrsinn zu ignorieren, eine deutsche Eigenschaft?
Muß ich die älteren Deutschen, die behaupten, sie hättenwährend des Kriegs von nichts gewußt, so verstehen? Muß ich die jüngeren Deutschen, die schon so entschieden antiisraelisch sind, bevor die Tatsachen überhaupt auf dem Tisch liegen, so verstehen?
Ein paar Schritte von der Moschee und dem Rosengarten entfernt treffe ich auf eine Türkin, die ich aus naheliegenden Gründen nicht beim Namen nennen werde. Sie erzählt
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