Allein unter Deutschen: Eine Entdeckungsreise (German Edition)
Er studierte dann Musik, was auch ohne Abitur möglich war. Vor rund zehn Jahren, als Weimar Europäische Kulturhauptstadt war, betätigte sich Martin als Fundraiser, um israelische und palästinensische Musiker nach Weimar zu holen.
Hier unterbreche ich ihn. Wie zum Teufel haben sich Israelis und Palästinenser schon wieder durch die Hintertür in diese Geschichte hineingeschlichen? Was haben die Juden in diesem Bild zu suchen? Schon wieder?!
Warum Israelis und Palästinenser?
»Warum nicht?«
Warum ja? Nichts Besseres oder Schlechteres zu tun?
»Nun ja, wir luden Daniel Barenboim ein, und der wollte mitmachen.«
Warum ihn?
»Er ist ein Großer!«
Andere Große gab’s nicht?
»Warum nicht ihn?«
Er ist ein durch und durch politisches Wesen, überaus streitlustig und manchmal gegen Israel.
»Damals noch nicht.«
Wirklich? Kennen Sie die genaue Geschichte von Daniel, wann, wie und wo er war, als er begann, sich politisch zu engagieren?
Nein, kennt er nicht. Und dann, nach einer langen, nahezu endlosen Diskussion, sagt er mir: »Fragen Sie Herrn Kaufman.«
Wer zum Teufel ist das?
»Er hatte die Leitung.«
Also, Sie wissen nicht wirklich, warum Daniel eingeladen wurde?
»Nein.«
Gut zu wissen.
Martin weiß es vielleicht nicht, aber Tatsache ist folgendes: Daniel Barenboim gründete das West-Eastern Divan Orchestra zusammen mit dem bekannten Aktivisten für die Rechte der Palästinenser, Edward Said; die Aufführung in Weimar war die Premiere des Orchesters.
Martin ist auch Kulturmanager und Festivalproduzent. Eines der Festivals, das er jährlich organisiert, sind die Jüdischen Kulturtage in Berlin.
Warum Sie?
»Ich wurde gefragt.«
Sie sind kein Jude, nicht wahr?
»Bin ich nicht.«
Was haben Sie über die Juden gelernt?
»Sie sind alle miteinander verbunden. Weltweit. Ganz gleich, wie einer denkt, ganz gleich, welche politischen Ansichten einer hat, sie sind alle miteinander verbunden.«
Die Nazis würden sich freuen, wenn sie Sie so reden hörten. Sie denken genauso.
»Nein, nein! Nein! Das habe ich nicht gesagt!«
Was haben Sie denn gesagt?
»Die Juden sind geistig miteinander verbunden. Auf der ganzen Welt.«
Wirklich?
»Wenn ein Jude irgendwo auf der Welt einem Juden begegnet, dann haben sie sofort einen Draht zueinander. Ich weiß das. Ich habe es gesehen. Das ist einzigartig an den Juden!«
Gut, daß Martin besagtes Festival organisiert. Endlich ist da draußen jemand, der den Juden sagen kann, wer sie sind.
Paul Kernatsch, Direktor des Hotel Elephant, macht seine Aufwartung.
»Ich bin gebürtiger Ire. Meine Frau liebt es, Schuhe zu kaufen, und ich liebe den Apple Store.«
Na, da haben wir es doch. Wir haben sofort einen Draht zueinander.
Ich bitte ihn, mir den Unterschied zwischen Ostdeutschen und Westdeutschen zu erklären.
»Die ostdeutschen Mädchen sind schöner und aufgeschlossener.«
Wirklich?
»Ja!«
Nennen Sie mir ein Beispiel!
»In Ostdeutschland ist eine Schwangerschaft keine Krankheit.«
Ich bin erst einen Tag hier, und ich mag total falschliegen, aber ich habe den Eindruck, daß die Ostdeutschen Kritik nicht so gut vertragen wie die Westdeutschen und daß sie starrköpfiger sind. Liege ich total falsch?
»Nein. Beide Beobachtungen stimmen.«
Dieses Hotel wurde auf Hitlers Befehl gebaut oder umgebaut. Ist es das einzige Hotel, das er bauen ließ?
»Soweit ich weiß, ja.«
Können Sie mir sagen, wie viele Gäste speziell in diesem Zimmer schlafen wollten, so wie ich?
»Seit ich hier bin, also seit mittlerweile 13 Jahren, waren es genau zwei.«
Ich vermute mal, daß ich in guter, in exklusiver Gesellschaft bin. Paul zeigt mir noch das Gästebuch des Hotels aus der Nazizeit. Hier sieht man die Unterschrift von Magda Goebbels, Josephs Frau. Es steht auch das Datum dabei: 26. Oktober 1941. Und hier ist Heinrich Himmlers Unterschrift, ohne Datum.
Kapitel 21 In dem wir vom Unterhaltungszentrum des KZ Buchenwald zu einer Demonstration gegen Israel geführt werden
Volkhard Knigge, Direktor der »Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora«, kreuzt im Elephant auf. Er hat gehört, daß ich hier bin, und kommt auf einen Plausch vorbei. Während dieses Interviews sprechen wir über dies und das, so auch über eine israelische Bar namens »Uganda«. Den Bar-Besitzern zufolge spielt der Name auf eine alte Idee an. Gemeint ist die Idee, daß sich die Juden in Uganda statt in Palästina hätten ansiedeln sollen. Die Bar hat sich unter anderem
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