Allein unter Deutschen: Eine Entdeckungsreise (German Edition)
dadurch einen Namen gemacht, daß man hier »mit der palästinensischen Misere mitfühlt«. Volkhard Knigge trägt bei dem Interview ein T-Shirt dieser Bar. Warum sich der Direktor der Buchenwald-Gedenkstätte die Finger an dem israelisch-palästinensischen Schlamassel verbrennt, geht über meine Vorstellungskraft.
Am nächsten Tag treffe ich Dietrich-Daniel Gaede, den Leiter der Abteilung Gedenkstättenpädagogik an der Gedenkstätte Buchenwald. Er führt mich durch das Lager. Ehrlich gesagt, wäre ich von allein nie hierhergekommen. Aber das Touristeninformationsbüro in Weimar, das sich um all meine Bedürfnisse während meines Aufenthalts hier kümmert, hat den Besuch arrangiert. Sie hörten, daß ein Jude kommt, also arrangierten sie einen KZ-Besuch für ihn. Und deshalb bin ich jetzt hier.
Aber ich sollte mich nicht beklagen. Man zeigt mir Dinge, die kein normaler Besucher zu sehen bekommt. Ich bin auf einem offiziellen Besuch und erhalte einen intimen Einblickin einen Ort des Grauens. Und der Unterhaltung. Ja, der Unterhaltung. Wieso Unterhaltung? Nun ja, es gab hier einen Zoo. Es gab tatsächlich einen Zoo neben dem Krematorium. Ich hätte das alleine nie herausgefunden, aber Daniel zeigt es mir. Das heißt, eigentlich zeigte er mir gerade das Krematorium, als ich ihn bat, mir eine merkwürdig aussehende Konstruktion zu erklären, die neben einer am Krematorium vorbeiführenden schmalen Straße liegt. Ich werde darüber aufgeklärt, daß sie für die Braunbären bestimmt war.
Braunbären? Was machen Braunbären in einem Krematorium?
Wie sich herausstellt, unterhielt die SS zum Amüsement der Soldaten einen Zoo direkt neben dem Ort, an dem Menschen in Asche verwandelt wurden. Vergaste Menschen links, Braunbären rechts. Beides zusammen hat sicher für tolle Unterhaltung gesorgt.
Wir betreten die Pathologie. Dieses Konzentrationslager Buchenwald ist eigentlich ein Themenpark, falls Sie es nochnicht gemerkt haben. Disneyland im Vaterland. Ich meine das ganz ernst. In dem Raum, in dem ich mich gerade befinde, sieht man, wie diese Einrichtung funktionierte. Hier findet sich eine erhöhte Steinkonstruktion mit Wasserhähnen und diversen Schneidwerkzeugen, auf der den Leichnamen die Organe entnommen wurden, bevor sie ins Krematorium kamen. Manchmal wurde ein Herz zu irgendwelchen Forschungszwecken entnommen, manchmal ein Schädel auf Faustgröße geschrumpft und als Schmuckstück an Freunde verschenkt. Hatte der Leichnam eine interessante Tätowierung, dann wurde die Haut vom Fleisch getrennt, getrocknet und später zu Lampenschirmen verarbeitet. Was für ein Leben! Lampenschirme, Braunbären und kleine Schädel als Schlüsselanhänger. Eine gute Verwendung von toten Juden. Alles für Sie angefertigt von Herrschaften mit Doktortiteln.
Weint nicht, wenn ihr dies lest, meine Lieben, oder ihr hört nie wieder auf.
Unten im Keller sieht man Haken zum Aufhängen von Menschen.
Ich stehe hier, stelle mir dieses Geschehen vor und bin sprachlos.
Mit einem Aufzug wurden die Leichname direkt in die Öfen »befördert«.
Das Unternehmen, das die Öfen herstellte, erfahre ich, war von seiner eigenen Ingenieursleistung so begeistert, daß es sie zum Patent anmeldete.
Nach Stunden grauenvoller Schilderungen, dieser und anderer, setze ich mich draußen vor dem Lager mit meinem iPad hin und frage mich, was Daniel so umtreibt.
Ich finde heraus, daß er anderthalb Jahre in Israel verbracht hat, wo er für die ›Aktion Sühnezeichen Friedensdienste‹ arbeitete. Seine Tätigkeit bestand darin, Dokumente in YadVashem zu sortieren, jener israelischen Einrichtung, die sich dem Gedenken an den Holocaust widmet.
Das ist aber nicht alles, was er in Israel tat. Zusätzlich zu seiner Arbeit in Yad Vashem ließ er sich auch auf den israelisch-palästinensischen Konflikt ein, indem er acht Wochen als Freiwilliger in einem arabischen Krankenhaus in Nazareth tätig war.
Während seines Aufenthalts in Israel ging er nach Nablus, um mit dem stellvertretenden Bürgermeister der Stadt zu sprechen und sich von ihm über die palästinensische Seite informieren zu lassen; er wollte die Palästinenser besser verstehen. Schließlich ist er ein Freund des Friedens. Als er und sein Bruder nach dem Treffen zu ihrem Auto zurückgingen, explodierte der Wagen. Was war passiert? Ein Palästinenser hatte eine Bombe unter dem Fahrzeug angebracht. Daniels Bruder starb, Daniel selbst verlor ein Auge.
War das das Ende seines Engagements im
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