Allein unter Deutschen: Eine Entdeckungsreise (German Edition)
freier Tag. Herr Herrmann und seine Gruppe stehen montags nie hier. An den anderen Tagen aber sind sie da. Wenn Sie glauben, ich sei heute den ersten Tag in Köln, muß ich Sie leider enttäuschen: Ich sah sie vergangene Woche jeden Tag.
»Wirklich?« sagt der Mann. »Das wußte ich nicht.«
Er verschwindet wieder im Gebäude. Er sollte nach Marxloh fahren und mit dem Imam zu Mittag essen.
Ich gehe auf einen Sprung in das Café und unterhalte mich mit seinem Betreiber, Heinz-Josef Betz.
Sind Sie das, der Herrn Herrmann mit seinen Befestigungssteinen hilft?
»Ich? Ich verkaufe Kuchen und Eis.«
Die Leute vom WDR sagten mir, daß Sie hier Herrn Herrmann seine Steine deponieren lassen –
»Kommen Sie, ich zeige Ihnen, wo er seine Steine aufbewahrt.«
Dorthin gehen wir, und Heinz-Josef sagt:
»Sehen Sie, das ist mein Lokal, und hier endet es. Sehen Sie die Steine? Das bin nicht mehr ich, das ist der WDR. Sie geben es nicht gerne zu, aber sie sind diejenigen, die das erlauben. Dieser Grund und Boden gehört mir nicht. Ich kann niemandem vorschreiben, was er dort lagern darf und was nicht.«
Er hat absolut recht. Die Steine liegen weit entfernt von seinem Zaun. Ich gehe zum Haupteingang des WDR. Ein eindrucksvoller Eingang. Sehr geschmackvoll. Eine attraktive Dame sitzt am Empfangstresen. Ich spreche sie an, und die Schöne wird zum Biest.
»Ich weiß, wer Sie sind«, sagt sie. »Gehen Sie zum Dom. Die Kirche unterstützt diese Leute, nicht wir.«
Wirklich? Ist das die offizielle Antwort des WDR? Alldieweil ich Fotos habe und bereits mit den Leuten vom Dom und mit dem Wirt des Cafés gesprochen habe –
»Warten Sie!«
Die biestige Schöne führt ein Telefonat, so wie die andere Dame, mit dem Unterschied, daß diese hier mir ihr Telefon in die Hand drückt. PR-Assistentin Tanja Lütz ist am anderen Ende der Leitung. Sie möchte meine Telefonnummer und meine E-Mail-Adresse. Sie verspricht mir eine Antwort, kann aber nicht garantieren, daß diese binnen einer Stunde kommen wird, weil »die Kollegen in der Mittagspause sind«.
Das muß eine lange Mittagspause sein. Sechs Stunden sind inzwischen verstrichen, und noch hat niemand angerufen oder geschrieben.
Nach einem solchen Haufen Lügen frage ich mich, was als nächstes kommt.
Deutschland. Immer noch antisemitisch.
O Gott! Das ist das letzte, was ich sehen oder entdecken wollte! Ich hasse alle, mich eingeschlossen, und kehre Köln den Rücken.
Bevor wir auf die Mauer zu sprechen kamen, zeigte Barbara mir eine Frau, eine Bettlerin, die zitternd und mit bedecktem Haupt am Fuß des Doms sitzt. »Schauen Sie sich ihre Beine an«, sagte Barbara. »Sehen Sie, wie jung sie ist? Sie ist keine alte Frau; in Wirklichkeit zittert sie auch nicht. Und dieser alte Mann im Rollstuhl, sehen Sie den? Sobald es Abend wird, steht er aus seinem Rollstuhl auf und zieht durch die Kneipen.«
Der Schein trügt.
Und Rundfunkanstalten erst.
Kapitel 20 In dem die bekannte Tatsache erörtert wird, daß zwei Juden, die sich irgendwo auf der Welt über den Weg laufen, sofort einen Draht zueinander haben
Also, wenn das hier immer noch ein Naziland ist, dann möchte ich, solange ich in Deutschland bin, wie der größte Nazi aller Zeiten leben! Was immer der Führer hatte, sollte ich auch haben. Finden Sie nicht auch?
Ich bin im Hotel Elephant in Weimar. Adolf Hitlers Zimmer war die Suite Nummer 100. Und jetzt bin ich hier. Tolles Gefühl!
Gewiß, das Zimmer wurde umgestaltet, die Möblierung verändert, das Badezimmer vergrößert, nebst einiger anderer Umbauten dieser Art. Aber dennoch. Das hier ist sie. Seine Suite. Heil Tuvia!
Eine sehr talentierte Künstlerin, Maria Giménez, erzählte mir vor meiner Reise nach Weimar, daß Hitler Deutschland haßte und deshalb tat, was er getan hat.
Wie bitte?
»Hitler war ein Künstler mit der Mentalität eines Künstlers. Künstler sind keine Nationalisten.«
Wirklich?
»Hitler gebrauchte seine Macht nicht dazu, Menschen zu helfen, er dachte nur an sich. Künstler sind im Grunde ihres Herzens selbstsüchtige Wesen, sie können keine Nationalisten sein.«
So habe ich das noch nie betrachtet, aber sie hat nicht ganz unrecht. Eine interessante Frau, diese Maria.
»Ich erinnere mich an ein Bild von Obama mit seinem Slogan ›Yes we can‹, und als ich sah, wie die Menschen ihn verehrten, dachte ich: Das ist dasselbe, was hierzulande geschah, als die Menschen Hitler verehrten. Es ist dieselbe Geschichte. Die Leute verlangen nach
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