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Allein unter Deutschen: Eine Entdeckungsreise (German Edition)

Allein unter Deutschen: Eine Entdeckungsreise (German Edition)

Titel: Allein unter Deutschen: Eine Entdeckungsreise (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tuvia Tenenbom
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kann keine einzige Meldung zu den Ereignissen finden, die der israelischen Kommandoaktion vorausgegangen sind.
    Zuviel kann ich allerdings jetzt auch nicht über den Nahostkonflikt grübeln. Schließlich war es meine Entscheidung, nach Deutschland zu reisen und nicht nach Palästina. Ich bin hier. Tatsache. Und bevor ich mich’s versehe, komme ich in München an.
    München ohne Kirchentag, versteht sich. Die gläubigen Deutschen sind entweder abgezogen oder verstecken sich. Dafür sind die gebildeten Menschen da, und zwar überall. Wollen wir ihnen einmal einen Besuch abstatten.
    Ich gehe zum Deutschen Museum. Warum nicht?
    Kommen Sie, kommen Sie mit, es ist ein interessanter Ort. Hier können Sie etwas lernen. So wie ich. Ich habe nie darüber nachgedacht, aber es gibt einen Grund, warum ein Diesel Diesel heißt. Das hat nämlich mit Herrn Diesel zu tun, dem Deutschen, der die Welt veränderte. Beeindruckend, zweifellos. Man lernt nie aus.
    Übrigens ist dieses Museum hervorragend konzipiert.
    Sehen Sie hier, ein Tisch, auf dem die erste Atomspaltung stattfand. Bei mir um die Ecke findet man so was nicht.
    In einem Bereich zum Thema »Starkstromtechnik« wird gerade ein Vortrag im Dunkeln gehalten. Dazu gibt es einen Versuch, bei dem laute Explosionen zu hören sind, jede einzelne vom versammelten Publikum frenetisch gefeiert.
    Man spaziert in diesem fantastischen Museum herum, schaut nach oben und nach unten und zur Seite und kann nicht umhin, die Deutschen zu lieben. Nicht nur, weil einem plötzlich dämmert, wie viele Beiträge zur technischen Entwicklung sie im Lauf der Zeit geleistet haben, sondern gerade auch aufgrund der Art und Weise, wie selbige hier arrangiert sind. Erstaunlich, was man hier alles entdecken kann. Ich kenne kein Wissenschaftsmuseum, das diesem auch nur annähernd gleichkommt.
    Bei dieser Gelegenheit kann man hier auch gleich Deutschlands Zukunft sehen: die Kinder. Wann immer ich mein iPad heraushole, das hierzulande erst seit kurzem erhältlich ist, kommen sie an. Sie sind von dem Gerät völlig fasziniert. Sie möchten wissen, wie es funktioniert! Wo ist das Modem? Auf ihre Technikgene, wenn man in einem Wissenschaftsmuseum so sprechen darf, ist Verlaß.
    Die Kinder, selbst wenn sie gerade einmal zwei bis drei Jahre alt sind, lieben diesen Ort! Das ist in meinen Augen die beste und eindrucksvollste Ausstellung überhaupt. Ich fühle mich jetzt viel besser. Ich liebe diese Kinder!
    Das ist ein Grund zu feiern. Ein Leberkäse wäre jetzt angebracht.
    Admira aus Bosnien von der Metzgereikette vinzenzmurr macht mir meinen Leberkäse heiß. Seit zehn Jahren arbeitet sie nun schon hier, und sie verrät mir, was sie über die Deutschen gelernt hat:
    »Männer bestellen Cola Zero; Frauen Cola light; Kinder Mezzo Mix oder Cola; ältere Menschen stilles Wasser oder Sprite.«
    Das nenne ich eine Philosophin!
    Ich bin so guter Stimmung, daß ich mir einen Theaterbesuch gönne. Auf dem Spielplan steht Rechnitz (Der Würgeengel) der Nobelpreisträgerin Elfriede Jelinek, im Schauspielhaus der Münchner Kammerspiele. Die Aufführung beginnt um acht, die Einführung um viertel nach sieben. Einführung, ja. Man bekommt eine Einführung, um das Stück zu verstehen. Kann ein Kunstwerk nicht für sich sprechen?
    Vielleicht ja nicht.
    Die Einführung gibt Julia Lochte, die Chefdramaturgin.
    Das Stück spielt in der österreichischen Stadt Rechnitz. Es handelt von 180 Budapester Juden, die zu Zwangsarbeitern gemacht wurden und den Südostwall der Stadt bauen mußten. Sie waren zu schwach zum Arbeiten und wurden 1945 in den letzten Kriegstagen erschossen, kurz bevor die Russen kamen.
    Elfriede, deren Vater Jude war, gebraucht in ihrem Stück nicht einmal das Wort Jude . Sie nennt sie vielmehr »Hohlmenschen«.
    Helmut Schmidt ist nicht der einzige Jude in der deutschsprachigen Welt. Elfriede Jelinek ist auch eine Jüdin.
    Das Stück selbst macht sehr schnell klar, daß sein Thema Sex und Tod ist. Ein Mann masturbiert beziehungsweise rubbelt sich im Schritt mit einem Frauenfuß. Wieder und wieder. Während die Charaktere von Mord, Massengräbern und anderen Nettigkeiten sprechen, haben sie auch Sex miteinander. Was will mir das sagen? Ich weiß nicht recht. Auf der Habenseite ist eine interessante humorvolle Note zu verbuchen. »Ich bin stolz darauf, ein Deutscher zu sein«, sagt eine der Figuren, »obwohl ich gar kein Deutscher bin.« Auf der anderen Seite ist das Stück zu banal. Falls es darauf abzielt, die

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