Allein unter Deutschen: Eine Entdeckungsreise (German Edition)
Generation anzuschauen. Mich interessiert, ob die künftige Richterschaft und die künftige juristische Intelligenz mit dem Gaza-Schauspieler einer Meinung sind … Ich mische mich unter die Studierenden.
Wie denken Sie über die israelische Reaktion auf die Gaza-Flotte?
David: »Das war illegal.«
Christof: »Völkerrechtswidrig.«
Christian: »Das ist eine israelische Aggression.«
Eine Gruppe von Studierenden meist weiblichen Geschlechts kommt des Wegs. Ich frage auch sie, doch sie laufen davon und wollen nicht antworten. Eine von ihnen meint: »Dazu sage ich nichts!«
Peter Landau kommt zufällig vorbei. Der Rechtsgelehrte hat kein Problem damit, meine Frage zu beantworten. »Ich war ausgesprochen wütend«, sagt er. »Das war ein großer Fehler. Die Israelis handelten aus nationalistischen Motiven. Sie schaden sich damit selbst. Ich hoffe, daß Israels staatliche Existenz bewahrt werden kann, doch seit dem Jom-Kippur-Krieg haben sie sich nicht mehr richtig verhalten.«
Da er den Krieg bei seinem hebräischen Namen nennt, frage ich ihn, ob er Jude ist.
»Ich habe jüdische Vorfahren. Aber mein Vater ist getauft.«
Meine Güte, ist denn jeder in Deutschland Jude!
Warum verweigerten die jungen Frauen das Gespräch? frage ich ihn.
»Bedingt durch den Holocaust fürchten manche Menschen, Ärger zu bekommen, wenn sie sagen, was sie denken. Ich teile diese Ängste nicht.«
Sind Sie stolz darauf, ein Deutscher zu sein?
»Ich akzeptiere es, ein Deutscher zu sein, würde aber zögern zu sagen, ich sei stolz darauf.«
Zwei Studenten laufen vorbei, ein deutscher und ein türkischer. Auf das Thema angesprochen, geben sie an, von nichts zu wissen. Zu eifrig am Studieren.
Ganz anders Johanna. Sie sagt: »Ich empfinde Abscheu vor dem, was die Israelis getan haben. Mich macht ihr Vorgehen perplex. Als ich zuerst davon hörte – ich bin gerade aus dem Urlaub zurückgekehrt –, dachte ich, o Gott, wie konnte das geschehen? Wie konnten die Israelis das nur tun?!«
Sind Sie stolz darauf, Deutsche zu sein?
»Meistens.«
Was bedeutet es, deutsch zu sein?
»Immer pünktlich sein, pflichtbewußt, manchmal langweilig, nicht so offen, eher den Kopf gebrauchend als das Herz.«
Was ist das Beste daran, eine Deutsche zu sein?
»Daß man im Zentrum Europas ist und leicht herumreisen kann.«
Wir stehen draußen, und immer mehr Studenten kommen heraus. Zigarettenpause! Was geht ihnen durch den Kopf? Wie denken sie über die Flottengeschichte?
»Schlecht. Sehr schlecht. Man kann nicht einfach so Leute erschießen.«
Sarah: »Ich kann nicht verstehen, weshalb sie sie erschossen haben. Welches iPad haben Sie da? Eins mit 3G oder bloß Wi-Fi?«
Florian: »Eine Schande.«
Sarah: »Ich weiß nicht, wozu man ein iPad braucht. Warum nicht einfach ein Netbook?«
Ich frage sie, ob sie stolz darauf sind, Deutsche zu sein.
Alle bejahen. Interessant!
Aber, hoppla, es hatte noch nicht jeder Gelegenheit, seine Meinung zur Flottengeschichte zu äußern. Auch Mark möchte zu Wort kommen.
Mark: »Das ist sehr, sehr schlecht.«
Da sich weitere Studenten um mich versammeln, frage ich, ob irgend jemand anderer Ansicht ist.
Nein, sagt Alex. Nicht einer von ihnen.
Wie kommt es, frage ich sie, daß in einer demokratischen Gesellschaft alle der gleichen Meinung sind? Was ist aus der Ideenvielfalt geworden? Und was aus dem Grundsatz, erst einmal die Fakten zu klären? Kennen sie die Fakten? Hat irgendeiner unter ihnen die israelische Version berücksichtigt, der zufolge die Israelis zuerst angegriffen wurden?
Nein. Nicht ein einziger.
Warum lehnen sie die israelische Sicht der Dinge ab? Hat einer von ihnen einen Beweis dafür, daß die Israelis lügen?
Nein. Nicht ein einziger.
Wie kamen sie, als zukünftige Anwälte oder auch Richter, zu einem Schluß, bevor sie die Faktenlage untersuchten? Dies ist die juristische Fakultät, oder nicht? Könnte es sein, fasse ich nach, daß Sie zu dem Schluß kamen, Israel sei schuld, weil Sie – wie sage ich es möglichst schonend – Israel nicht mögen, weil die Israelis Juden sind –?
Schweigen. Stille. Die Zeit vergeht, und niemand sagt ein Wort. Die fröhlichen jungen Menschen haben auf einmal lange Gesichter. Ob ich ein Foto von dieser traurigen Versammlung machen soll?
Ich wiederhole die Frage, dringe offensiver auf eine Antwort.
Schließlich gibt Alex nach. »Es ist eine Verletzung des Völkerrechts, deshalb sind wir dagegen.«
Und Sie studieren also
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