Allein unter Deutschen: Eine Entdeckungsreise (German Edition)
Hamburg ist eine schöne Stadt, aber die Atmosphäre hier, die menschliche Atmosphäre, ist für meinen Geschmack ein wenig zu kühl. Ich will nicht verallgemeinern. Es ist nur, was ich empfinde.
Ich behalte meine Gedanken für mich. Ich erzähle den Einheimischen nicht, wie ich über sie denke. Zu gefährlich. Die Hamburger sind sehr emotional, wenn es um ihre Stadt geht. Nimm das Wort Elbe in den Mund, und diese unterkühlten Menschen erwärmen sich plötzlich. Ein Mann kann Ihnen von seiner Frau erzählen, als wäre sie ein Baum, völlig emotionslos; aber sprich mit ihm über Hamburgs Bäume, und er wird tiefromantisch. Die Frauen sind nicht anders. Ich weiß nicht, wie die das machen.
Und bitte verraten Sie mich nicht! Hamburg ist die Welthauptstadt der militanten Radfahrer, und wenn die erst einmal wissen, daß ich Vorbehalte gegen sie habe, pusten sie mir vielleicht das Lebenslicht aus.
Nein, ich scherze nicht. Neulich schleppte ich mich mit zwei schweren Koffern ab und wurde dabei von Radfahrern terrorisiert. Auf einem schmalen Trottoir, das Platz entweder für mich mit meinen Koffern oder die fliegende Hamburger Miliz hatte, wie ich sie nenne, beanspruchte die Miliz das oberste Wegerecht. Ich mußte mich an einen Baum pressen, um sie vorbeizulassen. Dann kam eine andere Miliz. Dasselbe in Grün. Da war nichts zu machen. Auf ihren Rädern sind sie tickende menschliche Zeitbomben. Ich mußte meinen Fußmarsch öfter unterbrechen als der Normalbürger in Gaza während der israelischen Bombardierung vor einigen Jahren. Und ich dachte mir: Interessant, wie animalisch Menschen werden können, wenn sie nur glauben, das Recht auf ihrer Seite zu haben. Vielleicht sollten wir eine Delegation dieser militanten Radfahrer in den Nahen Osten entsenden. Sie werden da binnen eines Tages Frieden schaffen, wenn es überhaupt so lange dauert.
Jedenfalls fahre ich, ob ich recht habe oder nicht. Richtung Süden. Wohin wohl? Nach München. Schon wieder. Lieber verbringe ich meine Zeit mit Schwester Jutta-Maria als mit einer brüllenden Hamburger Miliz.
Auf dem Weg nach München schaue ich Al-Dschasira. Dank meines iPad kann ich unterwegs fernsehen. Al-Dschasira hat zwei Kanäle, einen auf arabisch und einen auf englisch, sowie zwei Websites, ebenfalls arabisch und englisch. Die englische und die arabische Version widersprechen sich diametral. Auf englisch ist Al-Dschasira moderat, der britischen BBC nicht ganz unähnlich. Dafür ist die arabische Ausführung extremer als die Hamas. Aus irgendeinem Grund, über den ich mir nicht im klaren bin, bleibt dem Westen dieser Umstand verborgen. Es bedeutet freilich nicht, daß Al-Dschasira auf arabisch uninteressant wäre. Ganz im Gegenteil. Hier kann ich Nachrichten sehen, die es nirgendwo sonst gibt.
Just in diesem Augenblick berichten sie live über eine gewisse Flotte, die von der Türkei aus zum Gazastreifen unterwegs ist. Scheich Raid Salah von der Islamischen Bewegung in Israel hält gerade eine kleine Ansprache. Wie gewöhnlich stachelt er die Menge gegen die Juden auf. Raid Salah kann mühelos den Titel des größten Antisemiten in der muslimischen Welt für sich reklamieren. Oder, weil er ja als Araber auch ein Semit ist, den des größten Judenhassers. Raid, der auch schon mal behauptet, die Juden würden das Blut nichtjüdischer Kinder in ihr Brot mischen, kriegt ordentlichen Applaus. Die türkische Regierung unterstützt diese Flottille und diesen Raid rückhaltlos, aber wenn ich ein Muslim wäre, würde ich die Flottille sofort versenken. Diese Leute lassen Muslime wie komplette Idioten aussehen. Sie nennen sich »Friedensaktivisten« und »Menschenrechtsaktivisten«, ihr Frieden jedoch ist die Friedhofsruhe. Wie ein Saudi mir vor zwei Jahren in Riad auf die Frage antwortete, ob er einen Frieden für möglich halte: »Ja. Wie es in diesem heiligen Buch heißt, werden alle Juden sterben, und es wird Frieden zwischen allen Menschen sein.« Er stellte sich einen großen Friedhof des Friedens vor, auf dem alle Juden begraben wären. »Wir kämpfen nicht gegen Friedhöfe«, sagte er mir mit einem breiten Lächeln.
Zwar ging die israelische Blockade des Gazastreifens zu weit, doch erscheint mir die Versenkung der Hilfsflotte höchst sinnvoll. Was in meinen Augen keinen Sinn hat, ist folgendes: Ich kann auf meinem kleinen iPad live mitverfolgen, was auf See geschieht. Wo aber sind all die Medien mit ihren Hunderten und Tausenden von Reportern, um darüber zu berichten? Ich
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