Allein unter Deutschen: Eine Entdeckungsreise (German Edition)
Völkerrecht?
»Nein.«
Woher also wissen Sie das?
Schweigen.
Hier sagt freiwillig keiner mehr ein Sterbenswörtchen. Sarah bricht schließlich die Stille.
Sarah: »Ich bin zum Apple Store gegangen, weil ich den iPad 3G kaufen wollte, aber sie hatten keine mehr. Ausverkauft. Ich würde ihn kaufen, wenn sie ihn hätten, aber sie hatten keine mehr.«
Ist es gut, deutsch zu sein?
Ja, sagen alle.
Werden sie die Nationalflagge schwenken?
Nur bei Fußballspielen.
Warum nur dann?
Sarah: »Man würde uns als Nazis bezeichnen, wenn wir es bei anderer Gelegenheit täten.«
Und dann ist da Lenard, ein weiterer Student.
Lenard: »Ich habe im Fernsehen gesehen, daß es irgendwelche Waffen an Bord gab. Und solange wir nicht alle Fakten kennen, kann ich nicht entscheiden. Das heißt es, ein Rechtsanwalt zu sein, man braucht zuerst die Fakten.«
Sind Sie stolz darauf, Deutscher zu sein?
Er lacht laut auf. »Oh, nein!«
Michael Krüger, Verleger des Hanser Verlags, und André Schiffrin, Gründer und Verleger von New Press, lachen nicht. Sie sind ernsthafte Leute. Und beide Schwergewichte der Buchbranche.
André, früher Leiter von Pantheon Books und der Mann, der die amerikanischen Leser mit Foucault und Chomsky vertraut gemacht hat, spricht heute abend in der Seidlvilla, in der ich mich just in diesem Moment befinde. André wird englisch reden, Michael ihn übersetzen. Neben diesen beiden zieren viele weitere Eminenzen meine Gesellschaft. »Die Crème de la Crème«, sagt ein Mann zu mir, »der deutschen Kultur ist heute abend hier versammelt.«
Das Programm dieses hochintellektuellen Abends beginnt. Wir alle setzen uns, und André ist nur zu gerne bereit, uns mit seiner Weisheit und seinem Wissen zu erleuchten. Er erzählt seinem geschätzten Publikum, daß Condoleezza Rice, die ehemalige amerikanische Außenministerin, vor dem Einmarsch in den Irak die Chefs der führenden amerikanischen Fernsehsender traf und sie bat, keine Bilder von verwundeten Soldaten zu senden. Die Chefs willigten ein. Dies sei der Grund, erklärt André, warum der frühere US-Präsident George W. Bush für eine zweite Amtszeit wiedergewählt wurde, und dies sei auch der Grund, warum damals 75 Prozent der Amerikaner glaubten, der Irak habe Masservernichtungswaffen besessen. Um sich zu revanchieren, fährt André fort, bemühte sich die Bush-Regierung, jenes Gesetz aufzuheben, daß es den Eigentümern von Printmedien verbietet, zusätzlich Fernsehsender zu besitzen.
Diese Geschichte über die großen amerikanischen Fernsehsender ist eine starke Behauptung. Im wesentlichen läuft sie darauf hinaus, daß es keine echte Demokratie in den Vereinigten Staaten gibt und selbst die »freien Medien« von der Regierung kontrolliert werden. Dieser Erzählung zufolge sind die USA in Wirklichkeit ein diktatorisches Regime. Michael scheint jedes einzelne Wort dieser Geschichte zu genießen, so wie er während des Vortrags nickt. Auch der Rest dieser angesehenen Gesellschaft scheint völlig gefesselt zu sein, hängt gebannt an Andrés Lippen.
Ich habe diese Story schon früher gehört und versucht, sie zu erhärten, konnte aber lediglich einige Propagandafilme ohne Beweiskraft finden. Vielleicht wird André dieses Rätsel nun für mich lösen. Und so fange ich ihn nach seiner Rede ab und frage ihn nach einer Quelle für seine Behauptungen.
André: »Danach hat mich noch nie jemand gefragt. Ich habe schon oft davon gesprochen und wurde noch nie aufgefordert, eine Quelle anzugeben. Sie können das in Google überprüfen.«
Irgendeine konkretere Quelle?
»Haben Sie es mit Google versucht?«
Habe ich, vor geraumer Zeit, ohne auf etwas Nennenswertes zu stoßen. Verfügen Sie über eine konkretere Quelle als bloß Google?
»Nein, ich habe keine bestimmte Quelle.«
Können Sie es sonst irgendwie untermauern?
»Warum fragen Sie mich das?!«
Ich bin zufälligerweise Journalist und brauche eine Quelle, um –
»Wenn Sie wollen, daß ich Ihnen eine Quelle angebe, dann kann ich das nicht.«
Der Unterschied zwischen den Intellektuellen hier und den einfachen Leuten, die ich in der Kirche eines Hamburger Vororts gesehen habe, ist nicht sonderlich groß. Beide glauben an einen amerikanischen Propheten, dem sie blind folgen. Warum werden beide Gruppen so von amerikanischen Lügenbeuteln angezogen? Ich weiß es nicht. Allerdings weiß ich ganzsicher, daß ich jetzt eine Pause brauche. Es sind zu viele Geistesmenschen um mich herum, und mich verlangt es nach
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