Allein unter Deutschen: Eine Entdeckungsreise (German Edition)
verlassen.
Kapitel 10 In dem wir einen Streifzug durch die deutsche Kultur unternehmen und einem Komiker, einem westlichen Scheich, Museumskids, Jurastudenten, Jesus Christus und natürlich König Ludwig II. begegnen
Nach diesem zwielichtigen Propheten verspüre ich das Bedürfnis nach einem Komiker.
Horst Tomayer ist jetzt genau der Richtige. Wir treffen uns in einem Café in Hamburg. Der deutsche Charakter »neigt ganz offenkundig zum Gehorsam«, verrät er mir. Gehorsam aber interessiert mich nicht. Sind die Deutschen witzig? frage ich ihn.
»Nein. Sie haben nur einen schwach ausgeprägten Sinn für Humor. Für Humor braucht man Verstand, und der geht den Deutschen ab.«
Sagen Sie das noch mal!
»Seitdem es Deutschland gibt, fehlt es den Menschen hier an Verstand. Zwei Weltkriege, der Holocaust … Wo zeigt sich da Verstand?!«
Wie können Sie so etwas sagen? Ihr habt Mercedes, BMW, VW. Dafür braucht man doch Verstand –
»Technische Fertigkeiten haben nichts mit Vernunft zu tun.«
Die dümmste Frage, die ich Horst nach dieser Einleitung stellen könnte, wäre: Sind Sie stolz darauf, Deutscher zu sein? Aber wissen Sie was, genau diese Frage stelle ich ihm jetzt.
Der Mann bricht daraufhin in ein so dröhnendes Gelächter aus, daß sämtliche Cafébesucher auf uns aufmerksam werden, milde ausgedrückt. Als er sich schließlich wieder eingekriegt hat, läßt er sich mit einem nicht weniger lauten »Nie und nimmer!« vernehmen.
Er ist einer jener seltenen Linken, die Deutschland ebenso von Herzen hassen, wie sie Israel von Herzen lieben. Es gibt solche Deutsche. Sehr wenige nur, aber es gibt sie.
Ganz im Ernst, er prophezeit, daß »die nationale Währung im Fall eines Zusammenbruchs des Euros wieder eingeführt und der Nationalismus fröhliche Urstände feiern wird«.
Er sagt, daß in diesem Fall »womöglich« die in Deutschland lebenden Türken des Landes verwiesen werden. Die Juden hingegen werden »ganz klar« ausgewiesen.
Was ist der Unterschied zwischen Türken und Juden?
»Den Juden kann man leichter zum Sündenbock machen. Da hängen immerhin Tausende Jahre Geschichte dran.«
Ich verabschiede mich von dem munteren Horst und fahre zurück zur Zeit , um mich dieses Mal mit Jens Jessen zu treffen, einem der beiden Feuilletonchefs. Der mir etwas erzählt, was für mich wirklich neu ist:
»Es ist die Mittel- und Oberschicht, die die Bild -Zeitung liest.«
Warum schreiben Sie? Nur, weil Sie gerne schreiben, oder weil Sie Menschen beeinflussen wollen?
»Ja, um Menschen zu beeinflussen. Das ist die treibende Kraft, nicht das Schreiben an sich.«
Warum?
»Das Grundgefühl meines Lebens ist Depression und Wut. Verzweiflung ist mein Normalzustand. Es gibt in meinen Augen so viel Dummheit und schlechtes Denken. Ich komme mir vor wie ein verzweifelter Lehrer.«
Deutsche sind nicht die einzigen dummen Menschen auf der Erde, aber »bei den Deutschen fällt die Dummheit stärker ins Gewicht«.
Warum das?
»Weil Dummheit in Deutschland viel gefährlicher ist als anderswo.«
Warum das?
»Es gibt kulturell bedingte Verhaltensmuster. Meine Befürchtung ist, daß totalitäre Denkweisen wie der Nazismus zurückkehren könnten. Ich sehe die Möglichkeit, in kleinen Gemeinschaften … Der deutschen Kultur fehlt ein Sinn für Verschiedenheit.«
Sie müssen unbedingt gehorchen, die Deutschen? Ich meine, das ist nicht bloß ein Klischee …?
»Genau. Ja.«
Woher kommt dieses Bedürfnis?
»Die Kriege zwischen Katholiken und Protestanten haben das deutsche Volk gelehrt, daß es in seiner kleinen Gemeinschaft zusammenrücken muß, um zu überleben. Ich glaube, das ist der Grund, sicher bin ich mir aber nicht.«
Wie geht die Zeit damit um?
»Sie versucht den Leuten beizubringen, daß man freie und offene Diskussionen führen kann, ohne Angst haben zu müssen. Die Zeit ist Teil eines kleinen Clubs von vier deutschen Medienunternehmen, die das versuchen.«
Vier. Und welches ist das beste der vier?
»Der Deutschlandfunk ist das beste.«
In welcher Hinsicht?
»In jeder Hinsicht.«
Was macht ihn so gut?
»Qualität, Tiefgang, Themenauswahl.«
In den Vereinigten Staaten würde ich dergleichen nie zu hören bekommen. Kein Redakteur des Time- Magazins würde je so freundlich über Newsweek sprechen, und umgekehrt. Und kein einziger Mitarbeiter der New York Times würde davorzurückschrecken, die eigene Truppe als die beste zu bezeichnen. Warum können Sie das nicht? Ist es so schwer zu sagen: Wir
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