Allein unter Deutschen: Eine Entdeckungsreise (German Edition)
wurde.
Gibt es hier jüdisches Leben? frage ich ihn.
»Bar Mitzwa, Bat Mitzwa, damit die Leute zeigen können, was sie haben. Das war es dann aber auch.«
Was für Menschen kommen in Ihr Restaurant?
»Die Gojim.«
Und warum kommen sie?
»Sie mögen die jüdische Küche«
Und die Juden?
»Die gehen zu McDonald’s.«
Jacques sagt mir, daß er Henryk M. Broder mag. »Das ist ein Jude ohne Furcht und Scham, ein Jude, der sagt, was er denkt.« Wie Jacques auf Henryk M. Broder gekommen ist, ist mir schleierhaft. Jacques verbringt gerne Zeit in seinem Restaurant und denkt über die großen Fragen des Lebens nach.
Es ist schwer, ein Jude zu sein, sagt er, nirgendwo auf der Welt liebt man den Juden. Noch schlimmer ist es, eine Jüdin zu sein, überlegt er, weil sie zusätzlich zu der Bürde, gehaßt zu werden, auch noch so viel Arbeit hat. Aber das schlimmste, fügt er überraschend hinzu, ist Österreich: Da gibt es mehr Antisemiten als irgendwo sonst.
Was bedeutet es, ein Jude zu sein?
»Das bin ich noch nie gefragt worden.«
Worin besteht es?
»Was meinen Sie mit ›worin besteht es‹?«
Was bedeutet es, ein Jude zu sein –
»Religion. Die Religion.«
Sind Sie religiös?
»Nein.«
Sind Sie Jude?
»Ja. Ich bin stolz darauf, ein Jude zu sein.«
Worin besteht es?
»Sie machen mich noch ganz kirre. Ich weiß es nicht.«
Da die meisten seiner Gäste, wie er sagt, keine Juden sind – wobei ich gar niemanden erblicke, Jude oder nicht, das Restaurant ist völlig leer –, empfindet er es als seine Pflicht, sie mit den grundlegenden jüdischen Vorstellungen und Bräuchen vertraut zu machen. Auf den Tischen seines Restaurants finden sich Karten, die die jüdischen Speisegesetze und -gewohnheiten erklären. Was zum Beispiel ist »nichtkoscherer Wein«? Nichtkoscherer Wein ist den Karten zufolge ein Wein, der aus faulen Früchten gemacht wird.
Wirklich, Jacques?
»Ja.«
Ich dachte, nichtkoscherer Wein sei Wein, der von einem Nichtjuden berührt worden ist. Das ist die offizielle Erklärung, oder nicht?
Nun, Jacques ist nicht so dumm, so etwas zu schreiben, egal, was die jüdischen Speisegesetze über koschere Ernährung sagen.
»Ich muß ja nicht alles hinschreiben.«
Judentum, Münchenstyle.
Hier ist eine weitere Karte. Ein Kombi-Angebot. Gehen Sie ins Museum und essen Sie jüdisch zum Spezialpreis.
Mir ist gerade nicht danach, irgend etwas zu essen, und so mache ich mich auf ins Museum.
Ich bin in der Neuen Pinakothek. Was auch immer dieser Name bedeutet, der Museumsbau ist klasse. Heute gibt es eine Sonderführung: »Spuren des Dritten Reichs in der Pinakothek«. Die Menschen hier kommen anscheinend einfach nicht über diese Zeit hinweg. Sollte ich mich ihnen anschließen?Hey, warum nicht? Ich bin Tourist, und Touristen machen so etwas. Touristen und eine Tour verlangen nach einem Vortrag, zumindest hierzulande. Die Vortragende heute ist eine schwer nach Kunst aussehende Frau, die von der Bombardierung des Museums im Zweiten Weltkrieg erzählt. Ich hoffe, sie nimmt es mir nicht übel, daß mir nach Dachau etwas das Mitleid feht. Die anderen Zuhörer, sehr feine Deutsche, ihrer Garderobe nach zu urteilen, teilen meine Gefühle nicht und scheinen sehr bewegt von der tragischen Geschichte der Bombardierung. Tja, wenn ich mit ihnen mitfühlen könnte, dann würde ich mich jetzt wenigstens nicht so langweilen. Ich verliere schon das Interesse, als von den Anfangstagen jenes Reiches die Rede ist, und lasse mich statt dessen von den Bildern in Beschlag nehmen. Viele Marien hier, falls Sie noch nie in diesem Museum waren, eine sexyer als die andere. Wenn die Juden nur wüßten, wie sexy sie sind – oder waren!
Erst die Jungfrauen, dann die Krieger. Hier ist ein Bild mit dem Titel Einzug König Ottos von Griechenland in Nauplia von Peter von Hess aus dem Jahr 1835. Verblüffende Details. Jede Gestalt in der Menge ist in ihrer ganz besonderen Stimmung eingefangen, jeder Blick und jede Bewegung bis ins kleinste Detail ausgeführt, und jedes der Schiffe und die Konturen eines jeden Steins und einer jeden Wolke, jeder Instinkt eines jeden Tiers und jedes Detail des Wetters – alles ist meisterhaft festgehalten.
Und hier ist Park einer italienischen Villa von Oswald Achenbach, circa 1860. So schlicht dieses Gemälde zunächst wirkt, so betörend ist es. Die Schattierungen und Schatten, mit denen der Maler spielt, sind einfach phänomenal. Sobald man es zu betrachten beginnt, wird man von diesem Bild
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