Allein unter Deutschen: Eine Entdeckungsreise (German Edition)
regelrecht gefangengenommen.
Moment mal. Wo ist die Drittes-Reich-Gruppe?
Ah, hier sind sie. Fern der Jungfrauen und Recken. Sie sind in der Privatsammlung von Reichsmarschall Hermann Göring. Ich schließe mich ihnen an und versuche, ausgehend von den Bildern, einen Eindruck von dem Mann und seinem Charakter zu bekommen. Aber dann wird mir dank der Führerin hier klar, daß einige dieser Gemälde tatsächlich in jüdischem Besitz gewesen sein könnten. Zu dumm. Ich war gerade drauf und dran, eine unglaublich geniale Theorie über das Verhältnis eines Menschen zu den von ihm gesammelten Bildern zu entwickeln, die diese Dame jedoch mit einem einzigen Satz zerschmetterte.
Ja. So schwer es fällt, das zu glauben, Hermann war ein kleiner Dieb.
Ich überlasse die Nazis und Juden sich selbst und gehe weiter. Hier ist Blick auf Arles des armen Vincent van Gogh. Er muß guter Dinge gewesen sein, als er dieses Bild malte, dessen Farben und Stimmung durch ihre Lebhaftigkeit bestechen. Nicht weit davon hängt Claude Monets Seinebrücke von Argenteuil . Es ist ein Zauber in diesem Bild, besonders in dem Kontrast zwischen der strengen Härte des Industriellen und dem sanftgrünen Gras.
Ich glaube, ich sollte Kunstkritiker werden. Nicht um alles in der Welt könnte ich eine gerade Linie zeichnen, von einem Kreis ganz zu schweigen, aber als Kritiker bin ich wirklich gut! Wirklich. Ich meine es ernst!
Ich bin so in meine Gedanken und ins Schreiben vertieft, daß mir der Wärter neben mir gar nicht auffällt. Anscheinend paßt es ihm nicht, daß ich hier stehe und schreibe. Zu viele Besucher halten inne, um einen Blick auf mein iPad zu werfen. Ein klarer Fall von unlauterem Wettbewerb.
Wo zum Henker sind meine Drittes Reichler?! Vielleicht auf der Toilette.
Da schaue ich doch einfach mal nach.
Hier gibt es nun allerdings etwas Interessantes zu sehen: eine Anleitung zum Händewaschen.
Die Leiter dieser Institution und die Staatsbürokraten, die sie finanzieren, haben offensichtlich befunden, daß die Münchner Museumsbesucher in der Kunst des Waschens ihrer Hände nach Verrichten ihrer Notdurft nicht genügend bewandert sind. Die Menschen brauchen Anleitungen. Jawohl. In jeder Toilette hier findet sich eine. Wer aus religiösen Gründen auf dem Klo nicht liest, findet neben den Wasserhähnen eine weitere große Hinweistafel. Viele Schritte sind nötig, um sich die Hände zu waschen, falls Ihnen das nicht bewußt war. Halten Sie die Hände unter das fließende Wasser, meine Lieben, denn andernfalls wird das Wasser nicht zu Ihnen kommen. Schwer zu verstehen? Hier ist eine Illustration des Vorgangs. Ja, ist so. Unter einem Bild von fließendem Wasser finden Sie diese Anweisung: Hände unter fließendes Wasser halten. Bild von Seife, dann: Seife 20 bis 30 Sekunden in den Händen verreiben. Bild von Händen, dann: Auch zwischen den Fingern. Bild von Händen UND fließendem Wasser, dann: Dann gründlich abspülen. Bild von Händen und einem Papierhandtuch, dann: Sorgfältig abtrocknen.
Die Stadt München – oder der Freistaat Bayern – ist anscheinend der Meinung, daß die Münchner Vollidioten sind.
Das will ich selbst überprüfen.
Neben der prächtigen Theatinerkirche befindet sich ein kleiner Biergarten. Die Menschen kommen hierher, um Bier zu trinken, die Kirche anzustarren, sich stundenlang gegenseitig anzublicken, endlos zu tratschen oder über das Leben nachzusinnen, während sie an diesem oder jenem alkoholischen Getränk nippen.
So auch Werner, ein gutaussehender Bayer, der ganz für sich allein hier sitzt und Weißwein trinkt. Woran denkt Werner so allein zu dieser späten Stunde? An die Liebe, was sonst! »Vor zehn Jahren habe ich mich in eine amerikanische Jüdin verliebt«, die zu Besuch in München weilte. Er zeigte ihr die Stadt, und sie verbrachten eine schöne Zeit zusammen, ohne daß es zu Intimitäten gekommen wäre. Dann kehrte sie wieder heim. Zu Hause fand sie eine andere Frau in ihrem Bett vor. Ihr Gatte, der arme Kerl, hatte sich bezüglich des Zeitpunkts ihrer Rückkehr vertan. Sie jedoch nicht, und so ließ sie sich scheiden und lud Werner ein, sie in ihrem einsamen Bett zu besuchen. Was für ein wunderbares Leben erwartete Werner! Die Jüdin, welch Überraschung, erwies sich als eine sehr reiche Frau. Wie Juden halt so sind. Und sie lebte in der Park Avenue in New York. Wo sonst? Dann gab sie eines Tages eine Party. Und lud ihren Freundeskreis ein. Ihren jüdischen Freundeskreis, versteht sich.
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