Allein unter Deutschen: Eine Entdeckungsreise (German Edition)
don’t worry about tomorrow. Thank you, Lord.« Die meisten hier sind in ihren Zwanzigern und Dreißigern. Ein eher junger Haufen.
Der Buchladen hier verkauft Titel wie Wie Kinder glauben lernen . Auf der Bühne prangen stolz die Flaggen dreier Nationen: Deutschlands, Israels und der Vereinigten Staaten. Das sagt so ziemlich alles: Diese Leute kommen nicht aus Kuba.
Zeit für eine kleine Predigt. Der Pastor prangert eingehend die Kritik der westlichen Medien an Israel im Zusammenhang mit der Gaza-Hilfsflotte an. Morgen, sagt er, wird eine Delegation der Kirche nach Israel fliegen, wo sie für zwei Wochen ein Apartment angemietet haben. Was sie dort machen? Für den Schutz Israels beten. Er selbst wird mit dabeisein.
Am Eingang der Kirche, auch als »TOS-Gemeinde« bekannt, verkündet ein Aushang in Großbuchstaben: »FREI!«Was, vermute ich, bedeuten soll: Kommt herein, es kostet euch keinen Cent. Trotzdem wird hier Geld gesammelt, mittels eines herumgereichten Hutes. Es folgt Musik. Glückliche Menschen singen gerne. Dann, nach der Musik, hält der Pastor eine Rede über die hohen Kosten des Apartments in Israel. Er mahnt die Gläubigen zu helfen. Von neuem erklingt Musik. Er tritt von der Bühne ab. Die Gläubigen, viele von ihnen, drängen jetzt an die Bühne heran und legen dort Euroscheine ab, einen netten Eurohaufen. Viele Zwanziger und Fünfziger.
Der Pastor erscheint wieder.
Gott, sagt der Pastor, hat ihn aufgefordert, nach Israel zu gehen und von dort aus zu Ihm zu beten.
Das verstehe ich ehrlich gesagt nicht. Wenn Gott und dieser Seelsorger bereits miteinander sprechen, wenn schon eine Verbindung zwischen ihnen besteht, warum sagt Gott ihm dann, er solle nach Israel gehen und von dort aus zu Ihm beten? Wenn ich mit jemandem telefoniere und er mich auffordert, nach Japan zu reisen und das Gespräch von dort aus fortzusetzen, hänge ich auf.
Ich beschließe, daß ich persönlich mit diesem Pastor sprechen und sehen muß, wie er mir all das erklärt. Er heißt Jobst Bittner, und wir setzen uns nach dem Gottesdienst in Ruhe zu einem Interview zusammen. Er erzählt mir, daß sein Vater während des Krieges in Nordafrika und als junger Mann »sehr für Hitler war. Meine Mutter war Mitglied im Bund Deutscher Mädchen.« Ich frage ihn, ob er weiß, warum Gott ihn auffordert, nach Israel zu gehen, statt sein Gespräch in Deutschland fortzusetzen.
Nach einer rund einstündigen Ausführung habe ich immer noch keine Antwort erhalten. Ich frage ihn, was das Problem ist, warum er mir keine offene und ehrliche Antwort geben kann. Er fordert mich auf, Jesus zu suchen. Ich fordere ihnauf, Mohammed zu suchen. Und dabei belassen wir es dann mehr oder weniger.
Er scheint von dem Gedanken getrieben zu sein, Gutes für sein Land zu tun, und dabei keine Mühen zu scheuen, aber ich verstehe ihn einfach nicht. Ich komme zu dem Schluß: Meine Deutschen sind manchmal äußerst komplex, ganz gleich, welche politischen Überzeugungen sie haben.
Gleich beginnt das Fußballspiel zwischen Deutschland und Australien, und die Kirche bietet ein »Public Viewing« an. Meine Deutschen wollen das Spiel in einer Gruppe sehen. Ich hänge mich dran. Und als die Deutschen ein Tor nach dem anderen schießen, dreht diese judenfreundliche Kirche durch. Sie singen:
»Allee, Allee, Allee, Allee. Eine Straße, viele Bäume, ja, das ist eine Allee.«
»Wir wollen Tore sehen, wir wollen Tore sehen, wir wollen, wir wollen Tore sehen.«
»Einer geht noch, einer geht noch rein, zwei wären besser, drei müssen’s sein.«
Nach der ersten Halbzeit steht es 2:0 für Deutschland. Die Menge ist in Hochstimmung. Bierzeit. Alle Deutschen trinken Bier. Links, rechts, in der Mitte. Völlig egal. Und dann beginnt die zweite Halbzeit. Die deutsche Mannschaft ist weiterhin gut dabei, und die TOS-Fans kreischen weiterhin gut mit. Ich höre: »Das war elegant!« sowie »Die Deutschen sind super!« Wie aus dem Nichts tauchen auf einmal Flaggen auf; offensichtlich haben die Leute sie hier für den Fall, daß ihre Mannschaft gewinnt, in ihren Taschen gehabt. Einige bemalen sich ihre Gesichter in den Nationalfarben. Andere andere Körperpartien. Küsse, Umarmungen, Lärm. Meine Deutschen sind glücklich.
Ich überlasse sie ihrem Glück und spaziere zum Marktplatz.
Sieht so aus, als fände hier eine Party oder auch eine Orgie statt. Autofahrer hupen in einem fort, so glücklich sind sie. Die Menschen tanzen bis nach Mitternacht auf dem Platz. Sie schwenken
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