Allein unter Deutschen: Eine Entdeckungsreise (German Edition)
Mainstream zu folgen.«
Was halten Sie von Obama?
»Ich glaube, er wird sich als eine große Enttäuschung erweisen. Über eine Amtszeit wird er nicht hinauskommen. Er ist sehr charismatisch, politisch sehr naiv und sehr weit links. Mir gefällt seine Einstellung zu Israel nicht. Er hat gefährlicheReden gehalten, weil er die arabische Welt nicht im geringsten versteht.«
Jemand aus seinem Umfeld sagte mir, daß Kai kaum noch Interviews gibt, daß er dieses Jahr tatsächlich nur ein weiteres Interview gegeben hat. Natürlich interessiert es mich, warum er ausgerechnet mir dieses Gespräch gewährt, noch mehr aber interessiert mich, wie er die Bild -Zeitung leitet und wie er seine Aufgabe versteht. Dieser Mann ist zur Zeit immerhin einer der einflußreichsten Menschen Deutschlands.
Ich stelle ihm dieselbe Frage, die ich auch Scheich Jens von der Zeit gestellt habe: Ist Bild die beste Zeitung Deutschlands?
» Bild ist die erfolgreichste Zeitung Deutschlands, die erfolgreichste in ganz Europa. Sie wird täglich von zwölf Millionen Menschen gelesen. In ihrer Kategorie ist sie die beste. Uns gelingt es, den Menschen Politik und andere Dinge zu erklären, die sie wahrscheinlich sonst nicht verstehen würden. Wir haben eine völlig andere Leserschaft als Die Zeit .«
Wer sind Ihre Leser?
»Größtenteils deutsche Durchschnittsbürger. Unsere Leserstruktur ist unserer Bevölkerungsstruktur sehr ähnlich. Sie ist ein bißchen jünger und ein bißchen männlicher. Was unseren Einfluß betrifft, so erreichen wir mehr akademische, gebildete Leser als die FAZ . Würde ich vor die Wahl gestellt, nur zwei Zeitungen lesen zu dürfen, dann die! Ich würde mich für die FAZ und Bild entscheiden.«
Und wenn Ihnen nur eine Zeitung erlaubt wäre?
» Bild natürlich … Und wissen Sie warum? Die FAZ ist eine Zeitung, die logischen Kriterien folgt, sie berichtet einfach, was passiert. Die Bild hat einen emotionalen Ansatz, wir berichten nicht nur darüber, was passiert, sondern auch über das, von dem die Leute glauben, daß es passiert, wie sie darüber denken und wie sie darüber sprechen, und sehr oft ist daswichtiger als das, was sich in Wirklichkeit abgespielt hat. Um Ihnen ein Beispiel zu geben: Wenn man sich in New York die Wettervorhersage anguckt, bekommt man nicht nur die Temperatur mitgeteilt, ›minus zwei Grad‹, sondern auch den Windkältefaktor. Durch den Wind fühlt es sich wie minus 20 Grad an. Wenn Sie also aus dem Haus gehen, nehmen Sie nicht den Mantel für minus zwei, sondern den für minus 20 Grad. Das ist es, was Bild macht, und das ist es, was Bild so wichtig macht. Es gibt nichts auf der Welt, was mit Bild vergleichbar wäre.«
Was ist Ihr Beitrag zur Bild ?
»Ich habe immer eine einzige Strategie verfolgt, und das ist in meinen Augen das wichtigste: Ich habe immer gesagt, Bild muß so sehr ›Boulevard‹ sein, daß uns keine andere Zeitung von unten angreifen kann. Wir müssen immer so boulevardesk sein – so einfach, so witzig, so unvorhersehbar –, daß keine andere Zeitung auf dieser Ebene besser sein kann als wir, besser auf die Massen zugehen kann als wir. Um uns aber neue Leser zu erschließen, um das Image der Zeitung zu verändern, um als Plattform für Politiker attraktiv zu sein, ist es auch wichtig, die Zeitung zu öffnen. Um mehr Leser anzuziehen, die normalerweise nicht Bild lesen würden, weil sie glauben, die ist nur für den Mann auf der Straße. Das machen wir jetzt seit neuneinhalb Jahren, wir versuchen, Bild zu öffnen. Und das haben wir ganz gut hinbekommen.«
Was heißt »öffnen« konkret?
»Ganz einfach: die Zeitung mit Themen, mit Inhalten zu füllen, die so nicht in der FAZ stünden.«
Er erzählt mir von einer Ausstellung, die Bild in einem Museum veranstaltete: die 60 wichtigsten deutschen Kunstwerke der letzten 60 Jahre. Ein FAZ -Redakteur rief ihn sogar an, um ihm zu sagen, wie er sich dafür schämte, daß nicht seiner Zeitung diese Idee kam. »Vor 15 Jahren hätte es das bei Bild nichtgegeben«, sagt Kai. »Vor 15 Jahren war Kultur in Bild , wenn auf der Bühne eine Leuchte umfiel und jemanden erschlug. Das war für Bild der Anlaß, über Kultur zu schreiben. Heute spielen wir ernsthaft mit. Ich habe für höhere Standards gesorgt. Das einzige Interview, das Präsident George W. Bush einer deutschen Zeitung gab, ein Einzelgespräch, war mit Bild . Wir bekommen für jedes wichtige Buch die Serienrechte für den Erstabdruck in Bild , wenn wir es wollen. Vor
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