Allein unter Deutschen: Eine Entdeckungsreise (German Edition)
Herren aus Berlin mit von der Partie.
Um ihn nicht zu enttäuschen, stellte ich ihm die persönlichste, intimste Frage, die mir in den Sinn kommt: Ist Deutschland ein Volk oder eine Ansammlung von Stämmen? Die zwei Herren aus Berlin gucken aus der Wäsche, als hätten sie gerade eins mit dem Faustkeil über ihre nicht vorhandenen Mützen bekommen. Was ist das denn?! Ungläubig rollen sie mit den Augen. Kai aber bleibt konzentriert und antwortet.
»Definitiv ein Volk«, sagt er. »Besonders nach der Wiedervereinigung und dem Umzug der Regierung nach Berlin. Jetzt gibt es ein Zentrum. Jeder schaut auf Berlin.«
Was macht einen Deutschen zum Deutschen?
»Die Deutschen sind groß im Wiederaufbauen. Wissen Sie, was ich meine? Aber mit dem Erhalt, damit tun wir uns schwer.«
In Afghanistan wird es eine Menge wiederaufzubauen geben, sollte es dort je zu einem Frieden kommen. Ist er dafür, daß deutsche Truppen in Afghanistan stehen?
»In meinen Augen ist es gut, daß unsere Streitkräfte in Afghanistan sind. Wir sind die stärkste Wirtschaftsmacht Europas.«
In Deutschland ist das ein brisantes politisches Thema. Nicht alle sind in dieser Frage einer Meinung, gelinde gesagt. Ich wüßte gerne, wie Kai über die verschiedenen Parteien in Deutschland denkt. Also frage ich ihn:
Worin unterscheiden sich Konservative und Linke?
»Darin, wieviel Freiheit wir haben.«
Wie bitte?
»Die Konservativen wollen verschiedene Schultypen, mehr Auswahl, während die Linke die gleiche Schule für alle will. Die Menschen sind aber nicht alle gleich, und ich will sie auch nicht alle gleichmachen.«
Das ist nicht gerade das, was ich wissen wollte, interessant aber ist es allemal.
Wie auch immer es um die Unterschiede zwischen den Parteien bestellt sein mag, Kai glaubt trotzdem an den Konsens. »Einen Konsens herzustellen, ist sehr wichtig. Und das ist vielleicht auch die Antwort auf Ihre erste Frage nach dem Wesensmerkmal dieses Landes. Es ist der Konsens. Wir sind eine Gesellschaft, die einen Konsens findet. Wir geben einen Haufen Geld dafür aus, den Konsens zu wahren.«
Nicht, daß ein Konsens immer leichtfällt. »Dies ist das einzige Land auf der Welt, in dem die Mehrheit für Steuererhöhungen ist. Warum? Weil die Steuerzahler in der Minderheit sind. Und ich bin absolut dagegen, die Steuern zu erhöhen. Mehr als die Hälfte der Menschen bekommt mehr vom Staat, als sie bezahlt.«
Konsens ist ein Thema, Multikulturalismus ein anderes. »Der Multikulturalismus hierzulande ist schiefgegangen. Die Vorstellung war, daß sie [die Arbeiter aus der Türkei] weiter so sollten leben können wie zuvor, nur waren eben unter denen, die nach Deutschland kamen, viele arme Menschen. Viele der türkischen Mitbürger hier leben noch im Steinzeitalter. Wir haben nicht genügend getan, damit die Einwanderer die hiesige Kultur erlernen und annehmen.«
Das bringt mich auf mein Lieblingsthema in Sachen Mode: den Hijab.
Tragen heute mehr Türkinnen in Deutschland einen Hijab?
»Nein. Heute gibt es mehr, die einen Bikini tragen.«
Ich würde ihn gerne fragen, wo ich die finden kann, bin aber lieber artig und bleibe bei der Politik.
Was hat es mit dem Verhältnis Ihrer Zeitung zu Israel auf sich? Stimmt es, daß Sie in Ihrem Haus ein Vermächtnis haben, für Israels Sicherheit einzutreten –
»Mehr noch … Jeder Journalist, der für uns arbeitet, muß sich vertraglich auf fünf ›Grundsätze‹ verpflichten:
Die Ablehnung jeglicher Art von politischem Totalitarismus.
Die Verteidigung der freien sozialen Marktwirtschaft.
Die Unterstützung des transatlantischen Bündnisses.
Das Eintreten für den freiheitlichen Rechtsstaat Deutschland und die Förderung der Einigungsbemühungen der Völker Europas.
Und, ganz wichtig: Das Herbeiführen einer Aussöhnung zwischen Juden und Deutschen, hierzu gehört auch die Unterstützung der Lebensrechte des israelischen Volkes.
Israel ist für mich der Staat, in dem die Überlebenden des Holocaust Zuflucht fanden, nachdem Deutschland sechs Millionen Juden ermordet hatte. Und aufgrund dieses besonderen Verhältnisses bin ich zutiefst davon überzeugt, daß wir nicht neutral sein können, wann immer Israels Existenzrecht in Gefahr ist, und unser Platz an der Seite Israels sein muß. Das ist unsere Verantwortung: Wir müssen für Israel Sorge tragen.
Das bedeutet nicht, daß wir Israel nicht kritisieren. Das tun wir.
Was ich unseren Journalisten sage, ist, stets zweimal hinzuschauen und nicht nur dem
Weitere Kostenlose Bücher