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Allein unter Deutschen: Eine Entdeckungsreise (German Edition)

Allein unter Deutschen: Eine Entdeckungsreise (German Edition)

Titel: Allein unter Deutschen: Eine Entdeckungsreise (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tuvia Tenenbom
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Jahren wäre das unvorstellbar gewesen. Und wir bezahlen nicht einmal dafür. Das war meine Idee. Wenn wir den Papst sehen wollen, fahren wir für ein Vieraugengespräch nach Rom. Etwas anderes, was ich in die Zeitung hineingebracht habe, ist Politik. Die Seite zwei ist der Politik gewidmet. Die ganze Seite.«
    Wenn er über seine Zeitung spricht, sein Baby, rückt Kai näher und spricht ganz sanft. 800 Journalisten arbeiten bei Bild , erzählt er. »Wenn man die beste Zeitung Deutschlands machen will, braucht man 800 Journalisten.« Persönlich, sagt er, kennt er 300 von ihnen. Er hat als einziger die Autorität, die endgültigen Entscheidungen zu treffen. Und das tut er auch. Jeden Tag. Und zwar so oft, wie er es für wichtig hält, auf Tuchfühlung und auf der Kommandobrücke zu sein. Kurz gesagt: Alles, was in Bild veröffentlicht wird, egal in welcher Ausgabe, bedarf seiner Zustimmung.
    Das wichtigste ist für ihn aber merkwürdigerweise Israel. Sobald die Rede auf Israel kommt, wird er leidenschaftlich. »Ein Journalist, der gegen Israel ist, hat keinen Platz in unserer Mannschaft«, erklärt er. »Wenn sich jemand als Antisemit erweist, fliegt er raus.«
    Während des gesamten Interviews, und wir sprechen schon über eine Stunde miteinander, verrät Kai viel mehr Leidenschaft, wenn er über Israel spricht, als wenn er über Deutschland spricht. Er kommt gerade aus London zurück, wo er aufeiner Party mit Elton John war, und ist ein bißchen müde. Fällt jedoch der Name Israel , dann kämpft er wie ein Löwe, um es zu verteidigen.
    Ich versuche, die Grenzen auszuloten, und streue eine kritische Bemerkung über einige der israelischen Siedler ein, vor allem die extremen unter ihnen. Ich vergleiche ihr Weltbild mit dem der Nazis. Kai läßt mich ausreden, akzeptiert aber kein Wort von dem, was ich sage. Sollte ich jemals mit dem Gedanken gespielt haben, für Bild zu schreiben, vergiß es. Ich habe keine Chance. Dieser Mann, der definitiv kein Jude ist, engagiert sich für die israelische Sache. Ich glaube nicht, daß ich jemals einem so engagierten Juden begegnet bin.
    Da er aber kein Jude und wahrscheinlich nicht beschnitten ist, wird es Zeit, über die wirklich wichtigen Dinge zu sprechen: seinen Penis. Ich frage Kai, ob er einen kleinen Penis hat.
    Jetzt kommt wirklich Leben in den Mann. »Das ist nicht wahr«, sagt er. »Sie können es auf der Mauer da drüben sehen!« Er steht auf, bittet mich ans Fenster und zeigt auf ein Haus. »Sehen Sie die rote Fahne da drüben? Das ist das Gebäude der taz . Sehen Sie das gelbe Zeichen auf der Mauer? Das da links von dem gelben Zeichen, das ist die Spitze meines Penis. Vier Stockwerke hoch. Mein Penis. Das stimmt. Sie glauben mir nicht? Ist aber so.«
    Ja, ist es wirklich. Über die ganze Front des Gebäudes zieht sich das Bild eines riesigen Penis, der angeblich Kais Penis ist. Und Kai Diekmann, der hier neben mir sitzt, ist unten zu sehen. Mit ansehnlichen Eiern, übrigens, wie er da jedem, der ihn sehen möchte, stolz sein Gemächt präsentiert. Das ist Kultur, nehme ich mal an. Nach deutscher Art und Sitte. Ein von der taz beauftragter Künstler hat das Mauerrelief geschaffen. Ich versuche, mir dasselbe in New York vorzustellen: der Penis eines Zeitungschefredakteurs auf dem Empire State Building. Ausgeschlossen. Nicht einmal wenn Gott es beföhle, würde sich ein gottesfürchtiger New Yorker so etwas trauen. Das hier aber ist Berlin. Das ist Deutschland. Anspruchsvoll. Kultiviert.

    Wie sich herausstellt, hat die taz , warum auch immer, eine gefakte Meldung über Kai Diekmann gebracht, ihren ideologischen Hauptgegner. Kai, berichteten sie, hätte sich einer Operation unterzogen, um seinen kleinen Penis zu vergrößern. Ein überaus komplizierter Eingriff, wohlgemerkt, bei dem aus winzigen Teilen von toten Leichen dieses neue, vergrößerte Organ geschaffen wird.
    In einem Schritt, der nur nach hinten losgehen konnte, verklagte Kai die taz auf 30000 Euro. Er verlor den Prozeß. Und die Leute von der taz beauftragten einen Künstler, diese Plastik zu schaffen.
    Was hat das mit Nachrichten zu tun? Ungefähr soviel wie Obamas Penis.
    Kai überläßt mich meinen Gedanken und geht aus dem Zimmer, um gleich darauf mit einer schwarzen Mappe zurückzukehren. Er zeigt mir diverse Dokumente. Das eine oder andere aus der taz sowie eine gefälschte taz , die Bild damals herausbrachte. Ja, so etwas machen die.
    »Sie wollten mich damit provozieren«, sagt er. »Sie hofften,

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