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Allein unter Deutschen: Eine Entdeckungsreise (German Edition)

Allein unter Deutschen: Eine Entdeckungsreise (German Edition)

Titel: Allein unter Deutschen: Eine Entdeckungsreise (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tuvia Tenenbom
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sich verliebt. Und die Börsenhändler machen es publik.
    Die Händler finde ich faszinierend, und ich möchte mit ihnen sprechen.
    Ich bin anscheinend ganz schön blauäugig.
    »Wenn Sie mit Maklern sprechen wollen«, sagt man mir, »müssen Sie erst eine Genehmigung der jeweiligen Bank einholen, bei der sie angestellt sind.«
    Warum die Banken solche Angst vor den Medien haben, ist mir wirklich nicht klar. Vielleicht wollen sie verhindern, daß ich zu hart arbeite.
    Also schaue ich nur zu, was sich da unten tut. Ein Kamerateam von einem deutschen Sender kommt herein und tigert im Handelsraum auf und ab. Schließlich finden sich zwei Broker, ein Mann und eine Frau, die sie nebeneinander positionieren. Das Kamerateam, zwei Frauen, gibt seine Wünsche bekannt. Sie wollen einmal Daumen hoch von den Börsianern. Also gehen zwei Daumen hoch. Dann lassen sie den Mann beide Daumen hochrecken und die Frau auch. Sie sehen sich das Ergebnis auf ihrem Bildschirm an. Nicht gut. Jetzt lassen sie beide die Daumen zusammen hochrecken, jeder einen. Sie überprüfen das Resultat und entscheiden: Nein. Okay: Der Mann soll zweimal den Daumen hochrecken, während die Frau neben ihm steht und ein breites Lächeln unter ihr blondes Haar zaubert. Ja. Das ist gut.
    Die Fernsehdamen schlagen zu und senden ein »spontanes« Daumen-hoch in der Börse.
    Das sind Nachrichten!
    Einen Mann von der Pressestelle frage ich angesichts der Unmenge von Fahnen, wie viele normalerweise hier hängen.
    »Nur jetzt [während der WM] haben wir welche«, antwortet er mir. »Normalerweise gibt es hier keine Fahnen, nicht mal eine. Unsere Geschichte, wissen Sie. Wir sind nicht in Amerika.«
    Meine lieben Deutschen: Warum seid ihr bloß so extrem? Könntet ihr nicht wenigstens einmal den Mittelweg wählen?
    Ich bekomme ein kleines Spielzeug geschenkt, einen grünen Bullen. Nett.
    Ich besuche Farah noch einmal, um mich von ihr zu verabschieden und mich für ihre wunderbare Gastfreundschaft zu bedanken. Sie zeigt mir eine alte Koranausgabe, ein Familienerbstück. Sie sagt, daß der Islam, wie er heute praktiziert wird, in diesem Buch nicht vorkommt, daß der Koran ein spirituelles Buch ist und daß sie sich an die Ältesten im Iran erinnert, die ihn mit leuchtenden Augen studiert haben. Doch diese Tage sind Vergangenheit. Jetzt ist sie in Deutschland.
    »Ich fühle mich wie eine Jüdin«, erklärt sie mir. »Die Deutschen sagen, daß sie mich und meine Kultur respektieren, aber sie verstehen rein gar nichts von ihr und geben sich auch nicht die geringste Mühe. Sie reden nur. Sie verstehen nichts von meiner Kultur, vom Geist meiner Kultur. Ich verstehe ihre, aber sie haben sich nie bemüht, meine wirklich zu verstehen. Für sie bin ich eine Fremde, was auch immer sie sagen. Ich weiß es. Farah weiß es. Farah weiß, wie die Leute sind.«
    Zurück am Frankfurter Hauptbahnhof, überlege ich, wohin ich fahren soll.
    Das hier ist Deutschland. Flaggen allüberall, und die Leute decken sich ein. Drei Farben hat die Flagge, alle erdig, heiß, ernst, verhängnisvoll, trotzig und fast klar.
    Kann mir irgend jemand dieses Land erklären, und zwar so, daß ich es verstehe?
    Kai Diekmann, Chefredakteur der Bild , der auflagenstärksten Zeitung Europas, wie ich mir habe sagen lassen, ist bereit, einen Versuch zu wagen.
    Nach Berlin geht die Fahrt, Antworten sind das Ziel.

Kapitel 15   In dem ich den Mann mit dem größten Penis interviewe, dessen Zeitung täglich von zwölf Millionen Menschen gelesen wird
    Nachdem man mich in einer flughafenähnlichen Sicherheitsschleuse durchleuchtet hat, werde ich in sein Büro geführt. Zwei weitere Herren wohnen dem Treffen bei. Anwälte? Die CIA? Der Mossad? Nein. Lediglich zwei freundliche Herren, die gut Englisch sprechen und auf die Namen Tobias und Ulrich hören. Nice to meet you.
    Gesprächstermin. Kai tritt ein. Frisch rasiert, mit zurückgegeltem Haar, tadellos gebügeltem weißen Hemd und schwarzer Brille kommt er auf mich zu und gibt mir die Hand. Er nimmt mir gegenüber Platz, hinter sich ein kunstwerkähnliches Bild -Bild, und ist ganz Ohr für meine Fragen. In den Händen hält er eine große Schüssel Obstsalat, vermutlich sein Mittagessen. Gierig beißt er in die Obststücke, als hätte er schon seit geraumer Zeit nichts mehr in den Magen gekriegt. Seine Aufmerksamkeit gilt jedoch einzig dem bevorstehenden Interview. Er scheint gewappnet für ein paar schwierige Fragen, großes Kino. Vielleicht sind deshalb auch die zwei

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