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Allein unter Muettern - Erfahrungen eines furchtlosen Vaters

Allein unter Muettern - Erfahrungen eines furchtlosen Vaters

Titel: Allein unter Muettern - Erfahrungen eines furchtlosen Vaters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tillmann Bendikowski
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wieder gut. Stille legte sich über das Haus. Am klaren Winterhimmel glaubte ich ein blasses Sternlein blinken zu sehen. Früher war mehr Lametta.
    Nachsatz: Ich habe inzwischen an mir gearbeitet. Vor einigen Tagen war ich mit unseren Kindern einkaufen. Als wir an der Kasse standen, hustete einer der Jungs seinen tiefen, männlichen November-Husten, der einen Eineinhalbjährigen so richtig durchschüttelt. Eine Dame drehte sich zu mir um und erklärte: »Das hört sich aber gar nicht gut an.« Ich lächelte, sagte freundlich: »Ja«, zählte innerlich bis zehn und war stolz auf mich.

OPERATION SPIELPLATZ
    Wer über Mütter auf Spielplätzen schreiben will, kommt nicht umhin, über weite Strecken über Männer auf Spielplätzen zu schreiben – nur im direkten Vergleich wird deutlich, welche Einzigartigkeit dem mütterlichen Verhalten innewohnt. Fangen wir also mit den Vätern an: Den gröbsten von mir beobachteten kommunikativen Verstoß auf dem Spielplatz verdanke ich einem Vater. »Wenn du da runterfällst«, so rief dieser besorgte Erziehungsberechtigte seinem Zögling auf dem Klettergerüst zu, »dann versohle ich dir den Hintern.« (Das Originalzitat habe ich sogar sprachlich noch ein wenig entschärft, weil man die darin enthaltenen Worte ja eigentlich nicht verwenden sollte.) In diesem knappen Zuruf ist so ziemlich alles an pädagogischer Raffinesse versammelt, was der Herr Papa als Gelegenheitserzieher so zusammenkratzen kann: Eine simple Wenn-dann-Konstruktion, gepaart mit der Androhung körperlicher Züchtigung. Das ist wahre Autorität.
    Vordergründig könnten wir die Väter als so etwas wie die Könige der Spielplätze betrachten – nicht nur, weil sie hier zuweilen wie die letzten absolutistischen Monarchen auftreten, sondern auch, weil sie tatsächlich in der Lage sind, diese kleine Welt allein durch ihr Auftreten und ihre Befehle umgehend zu verändern. Rasch ändert sich nämlich die Atmosphäre des gedankenlosen, ungeordneten Spiels der Kleinen, wenn ein selbst ernannter Friedrich der Große seine Anweisungen über das Areal hallen lässt (»Du musst dich fest-hal-ten!«, »Jetzt spring endlich!«, »Mann, Mann, Mann!«). Gern schreitet der erste Diener dieses Staates auch selbst zur Tat: »Warte, jetzt zeig’ ich dir mal, wie das geht.«
    Erst am vergangenen Wochenende (Wochenende ist übrigens das Stichwort: Dann sind die Väter auf den Spielplätzen und bringen mal so richtig Schwung in die verschlafene Einrichtung) durfte ich Augenzeuge werden, wie ein kleiner Junge in die Funktionsweise eines Klettergerüstes eingewiesen wurde. Eigentlich war die Aufgabe vergleichsweise einfach: Das nachgebaute Baumhaus mittels Leiter erklimmen und dann von oben an der Stange wieder runterrutschen. »Du musst das machen wie ein Feuerwehrmann!« Ob dieser Hinweis dem gut Fünfjährigen in für ihn sicher schwindelerregender Höhe helfen würde? Papa macht es vor, klettert hinauf, rutscht die Stange runter, drei-, viermal. »Jetzt du.« Vater und Sohn knien oben an der Stange (der Kleine hat erkennbar Angst); unten sitzt Mama mit der Digitalkamera und wartet auf das Bild des Tages. »Du musst die Beine um die Stange schlingen«, sagt Papa. Und: »Die Hände nicht zu fest, aber auch nicht zu locker.« »Du musst die rechte Hand zuerst nehmen«, ruft Mama von unten. »Welche Hand?« Der Knabe ist verunsichert, er versteht nichts mehr. Alle reden auf ihn ein, und zwar gleichzeitig. Dann rutscht statt seiner wieder Papa, die Eltern (übrigens erkennbar spätgebärende Akademiker, aber dazu an anderer Stelle mehr) sind nicht wirklich glücklich. Der Junge auch nicht. Einige Minuten später sehe ich die drei wieder: an den Turnstangen. Dort zeigt Papa, wie »Schweinebaumeln« geht (so nannten wir es jedenfalls früher, wenn man sich mit den Knien an die Stange hängt und kopfüber mit herunterhängenden Armen baumelt). Unter Ächzen schafft es Papa, die Turnstange zu erklimmen und sich schließlich baumeln zu lassen. Die herunterrutschende Sonntagskleidung gibt im Bauch- und Hüftbereich wenig Durchtrainiertes frei, dann fällt er runter.
    Wenn mehrere Väter auf einem Spielplatz zusammenkommen, besteht übrigens auch die Chance auf einen richtigen männlichen Wettkampf, wie er inzwischen eine echte Seltenheit geworden ist. Damit niemand behauptet, ich würde mir das nur ausdenken, habe ich auf eine Meldung aus der »Westdeutschen Allgemeinen Zeitung« zurückgegriffen, die tief im Westen ein für das Ruhrgebiet

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