Allein unter Muettern - Erfahrungen eines furchtlosen Vaters
jetzt kaufen soll, wofür ich selbstverständlich irgendwelche Bonuspunkte erhalte (was ich persönlich vom System der Bonuspunkte halte, möchte ich hier lieber nicht sagen. Aber vielleicht sollten sich die Suchtbeauftragten allmählich mal um die Wirkung dieser neuen Käuferdroge kümmern). Herr H. stellt mir irgendeine Ersparnis von drei Euro in Aussicht und verabschiedet sich dann. Nun gut, ich drehe den Flyer noch einmal um und erfreue mich, zwischen den bunten Bildern von vergnügt spielenden beziehungsweise entspannt (durch-!)schlafenden Babys, an zwei besonders schönen Text-Stellen. »Jedes Baby ist einzigartig«, steht da, was erstens mindestens die erwähnten drei Euro für das Phrasen-Schweinchen bedeutet, und zweitens haben die Werbeprofis vermutlich keine eineiigen Zwillinge zuhause. Ich lege den Flyer auf den Stapel mit Altpapier, da lacht mich zu guter Letzt die Botschaft an: »Eine Windel, die alles mitmacht. Für Babys, die alles wollen.« Genau solche Babys habe ich zuhause. Kannst du dir, liebe Drogerie-Kette, vorstellen, wie das ist mit kleinen Kindern, die den ganzen lieben langen Tag aber auch wirklich alles wollen? Was? Und weißt du auch, dass man mit diesen Kindern alles andere zu tun hat, als sich um euer »superabsorbierendes Material DryMax« oder anderen Hokuspokus zu kümmern? Und überhaupt: Meint ihr, ich würde euch diesen ganzen Werbesprech-Schnickschnack wirklich abnehmen? Haltet ihr mich eigentlich für blöd?
Ja. Genau das tun sie. Und so viele andere auch. Und deshalb erzähle ich überhaupt nur von dem Schreiben meiner Drogerie-Filiale. Es gibt einfach zu viele Menschen in diesem Land, die halten Mütter, nur weil sie Mütter sind, schlicht für blöd. Gut, einige Frauen haben phasenweise erkennbar Schwierigkeiten bei der Trennschärfe zwischen Mutter und Kind, weshalb sie selbst Kleidung tragen, auf der kleine Bärchen oder Tiere prangen – aber die Gesamtmenge solcher zumeist temporärer Erscheinungen halte ich persönlich für vernachlässigenswert. Gerade die Werbebranche tut so, als durchwanderten die Mütter für Jahre ein tiefes Tal kollektiver Stilldemenz. Will man sie ansprechen, darf man von ihren Kindern nur von »Babys« oder »Lieblingen« sprechen, nur das Beste wollen, Sicherheit verbreiten und alles tun, damit Glück herrscht. Immer raus mit den Phrasen, möglichst griffige Zwei- bis Drei-Wort-Sätze. Ich sehe die Chef-Werbetexter deutlich vor Augen, die sich koffeinabhängig und übergewichtig in ihren ergonomischen Sesseln fläzen und der versammelten Texter-Mannschaft aus der »Irgendwas-mit-Medien«-Generation erklären, dass Mutti ohnehin immer müde und stilldement ist, weshalb sie ruhig so tun sollten, als würden sie für Doofe schreiben. »Fakten, Fakten, Fakten, Herrschaften. Aber immer schön einfach, einfach, einfach. Es sind nur Mütter.« Von Herrn H., seinen Werbetextern oder wer auch immer die Hintermänner sind, erfuhr ich übrigens, dass auch mein Baby eine Windel benötigt, »die die zarte Haut trocken hält«. Babys haben zarte Haut? Und die muss trocken bleiben? Wirklich? Ist Baby denn kein Fisch? Nein, nein, nein, muss ich eingestehen, ist es nicht.
Wenn ich eines Tages mal so richtig viel Mut habe, werde ich in meine Drogerie-Filiale gehen, wo sich der Teamleiter im Lager vermutlich gerade fotografieren lässt, während die Verkäuferinnen den Laden schmeißen. Und dann werde ich mich mitten ins Geschäft stellen und laut rufen: »Was ich für meinen Liebling jetzt brauche« – dann werden sich die Mitarbeiterinnen umdrehen – »für die großen und kleinen Abenteuer Tag für Tag« – jetzt werden Sie vielleicht beginnen zu tuscheln – »ist so eine richtig ordentliche, leistungsbereite, super männliche, bis unter die Achseln reichende – Riesenwindel!« Und ich werde mich besser fühlen. Aber auch wieder ein bisschen einsamer sein. Was meinen Sie, Herr H.?
MÜTTER, HAMSTER, SINGVÖGEL
Wenn ich an Mütter denke, muss ich notgedrungen immer auch an Tiere denken. Schließlich sind sie – also die Mütter – auf eine eigentümliche Weise umspielt von allen nur denkbaren Vier- und Mehrfachbeinern: nicht nur von heimischen Exemplaren wie Hunden und Katzen, Mäusen oder Eichhörnchen. Auch alle exotischen Exemplare sind Bestandteil ihres Alltags: Elefanten, Löwen oder Tiger, Giraffen, Affen und selbstverständlich Eisbären von groß bis klein (Lars!). Hinzu kommen die vielen Phantasietiere, deren Namen ich nicht kenne, die aber in
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