Allein unter Muettern - Erfahrungen eines furchtlosen Vaters
begegnen. Die andere Gruppe dürfte meiner Ansicht nach größer sein, ihre Mitglieder wollen aber in aller Regel anonym bleiben. Sie haben schwer an dem gesellschaftlichen Grundkonsens zu tragen, dass eine deutsche Mutter ausschließlich lieben darf – sie darf, öffentlich, nicht hassen. Aber das tut sie still und heimlich, wenn sie nach einem übervollen Tag wieder mal das ebensolche Katzenklo entsorgen muss, den stinkenden Hamsterkäfig säubern und mit einem über die zarte Hand gestülpten, dem menschlichen Sein spottenden Plastiktütchen auf dem Bürgersteig das aufklauben muss, was kurze Zeit zuvor noch des Pudels Kern gewesen ist. Ich glaube, dass die Medizin sehr bald schon ein eigenes – vorrangig mütterliches – Krankheitsbild benennen wird, das weit über die uns heute bekannten Tier-Allergien hinausgeht. Mütter leiden an Tieren. Traurig, aber leider wahr. Und ich gebe zu, dass ich die Welt auch aus diesem Grund jetzt wieder ein wenig nüchterner sehe. Schade eigentlich.
Nachtrag: Wir haben die im Titel erwähnten Singvögel bislang unerwähnt gelassen. Das liegt wohl daran, dass sie die ganze Sache mit den Tieren noch weiter verkomplizieren – aber trotzdem sind sie für unser Verstehen hilfreich. Also: Die Pflege der Singvögel ist in diesem Land zumeist in männlicher Hand. Und das aus gutem Grund. Denn die dem Winter und dem Hunger ausgesetzten Piepmätze treffen mit ihrer jammervollen Existenz genau ins Herz männlicher Denk- und Verhaltensstrukturen. So appellieren sie – erstens – an den Handwerker im Mann, der bei den ersten Schneeflocken (jedes Jahr kommt der Winter für einen Mann völlig überraschend – »Wo sind eigentlich meine Handschuhe aus dem letzten Jahr?«) zu Säge und Hammer greift, um ein ordentliches Vogelhaus zu zimmern. (Wer nicht selber handwerkert, fährt wenigstens in den Baumarkt, was ja auch ein hoheitlich männlicher Akt ist.) Zweitens gibt der hungernde Wintervogel dem Mann die Möglichkeit, wieder einmal unter freiem Himmel eine Mahlzeit herzustellen – nun gut, er streut nur das Vogelfutter in das Häuschen, aber die Struktur des Handelns ist mit der sommerlichen Zurichtung eines Fleischstückes auf dem Grill vor den Augen der bewundernd zuschauenden Familie absolut vergleichbar.
Und drittens – und das dürfte entscheidend sein – schenken die dankbar pickenden Vögelchen in dem Vogelhaus dem Mann im warmen Haus vor allem die Chance, wieder einmal als Weltendeuter zu glänzen. Umringt von der Schar seiner Lieben (also von Frau und Kindern), sitzt er entspannt im Sessel und gibt Antwort: »Papa, ist das da eine Amsel?« »Ein Grünfink?« »Ein Eichelhäher?« – Vater weiß Bescheid. Er kennt sie alle, die Tiere da draußen in der Wildnis. »Ihr müsst nur auf das Federkleid unterm Hals achten«, erklärt er, »und auf den Bürzel.« Und alle recken die Hälse, um es auch ja richtig zu sehen. »Ein Rotkehlchen«, verkündet er. Die Familie vernimmt es mit Stolz. Und von draußen hört sie noch ein ausdrucksstarkes »Tschiep, tschiep« (»Das heißt Danke in der Vogelsprache«, ergänzt Papa), dann dreht sich das Tierchen um, lächelt in sich hinein und fliegt satt in den dunklen Winterhimmel. Es war übrigens ein Dompfaff.
SPÄTGEBÄRENDE AKADEMIKERINNEN
Da wir ohnehin gerade bei den winterlichen Metaphern sind: Dünnes Eis ist bekanntlich dazu da, um sich darauf zu wagen. Also tun wir es und sprechen jetzt über spätgebärende Akademikerinnen. Wie so viele Phänomene unserer Zeit hat es sie wahrscheinlich auch früher schon gegeben, aber erst jetzt hat man eine so schöne Bezeichnung für sie gefunden, so dass sie ihren festen Platz in unseren Debatten über die deutsche Familie einnehmen konnten. In den überregionalen Feuilletons kann man immer wieder über sie lesen. Wie sie in den hippen Stadtteilen von Berlin oder Hamburg ihr Dasein zelebrieren und damit zumindest den Feuilletonisten ziemlich auf den Geist gehen (so ein bisschen geht das in Richtung Bascha Mika, die sich besonders darüber aufregen dürfte, wenn es sich gerade hoch qualifizierte Mütter in der von ihr skizzierten »Komfortzone« bequem machen). Doch um vordergründige Lifestyle-Debatten geht es hier ja nicht; wir wollen schließlich dem Phänomen selbst näherkommen. Wodurch also zeichnet sich eine spätgebärende Akademikerin aus? Und was ist eigentlich das Faszinierende an ihr?
Vordergründig könnte man meinen, das vergleichsweise höhere Alter bei der Geburt des Kindes
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