Allein unter Muettern - Erfahrungen eines furchtlosen Vaters
an seniler Bettflucht leidenden Stallhasen mit ins Studentenwohnheim nehmen.)
So ein Haustier verändert für eine Mutter alles. Denn jetzt ist es schlagartig vorbei mit der mehr oder weniger funktionierenden Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Jetzt gilt die noch viel herausforderndere Vereinbarkeit von Familie, Beruf und Tierhaltung. Tierhaltung ist in Deutschland (abgesehen von den ersten Wochen der Begeisterung, in denen sich die Kinder tatsächlich wie versprochen um den Hamster kümmern) tendenziell Müttersache. Außer es geht um die ganz, ganz wertvollen Tiere, Reptilien und eingeschmuggelte Raubtiere und so, die selbstverständlich in Männerhand groß und größer, noch wertvoller und noch gefährlicher werden, bis sie schließlich irgendwo am Niederrhein und dann in den Medien auftauchen, weil Herrchen wieder einmal zu schusselig war, den angeblichen Hochsicherheitskäfig zuzumachen.
Da Zoo- und Haustiere aus meiner Sicht den unbestreitbaren Vorteil haben, dass sie in aller Regel nicht frei herumlaufen (von unangeleinten, ungewollt welpenlosen Hündinnen und ihren ungelenken Formen der Kinderliebe einmal abgesehen), stellen sie rein quantitativ – und, wie ich fürchte, auch qualitativ – den zu vernachlässigenden Teil der mutter-kindlichen Tierwelt dar. Damit nähern wir uns der Welt der imaginären Tiere, der künstlichen Geschöpfe, die wir uns selbst geschaffen haben, um unsere Welt schöner und bunter zu machen. Mit zum Teil grauenhaften Folgen, wie ich meine. Zwei Beispiele sollen reichen. Erstes Beispiel: Denken Sie an Kinderkleidung, die ja bekanntlich prädestiniert ist für die Abbildung von Tieren. Mein Liebling der Grausamkeiten sind alberne Katzen, die von noch alberneren rosa Mädchen-T-Shirts herablächeln und allen Ernstes »Hello, Kitty« sagen. Wird so etwas der Schöpfung gerecht? (Und ich spreche hier noch gar nicht von dem Mädchen.)
Zweites Beispiel: Wenn Sie die Augen schließen und in Gedanken an der Fensterfront eines Kindergartens vorbeigehen, werden Sie die vielen lustigen, bunten, von ungelenker Kinderhand mühsam ausgeschnittenen, bemalten oder beklebten Tiere sehen. Frösche vielleicht, gerne auch Hühner oder Vögel (wegen der bunten Federn). Aber was sehen Sie wirklich? Schauen Sie genau hin: Es sind immer gleich 24 oder 32 von diesen süßen Fröschen, Hühnern oder Vögeln. Und: Sie sehen alle gleich aus. Wie geklont. Hier wurde nämlich penibel nach den künstlerisch-ästhetischen Vorgaben der Erzieherinnen gearbeitet (frühe expressionistische Versuche von Vierjährigen werden hier unduldsam unterdrückt – »Konstantin, ein Frosch ist doch nicht lila« –, was sicherlich einen der vielen Gründe für die derzeitige Armseligkeit der Bildenden Kunst in Deutschland darstellt). So stehen schließlich Huhn an Huhn in einer Reihe, Fenster an Fenster das gleiche, geklonte Federvieh. Finden Sie nicht auch? Solch ein Fensterschmuck ist sicher lieb gemeint, aber im Grunde nichts anderes als eine frühe, gestalterisch ungeschickte Eingewöhnung der Kinder in die Welt der Massentierhaltung.
In den Kindergärten geht das Tierische selbstverständlich weiter: Die Gruppen heißen fast überall nach Tieren, da gibt es die Frosch-Gruppe, die Pinguine oder Füchse, die Mäuse oder Hasen. Zur Tierwelt der Mütter zählen darüber hinaus die unglaublich vielen Tiere auf Windeln und Feuchtigkeitstüchern, auf Trinkflaschen und Lätzchen, eben auf allem, was für unseren Liebling gut sein soll. Apropos Liebling: Wir sollten bei unserer Betrachtung von Mutter und Tier nicht vergessen, dass auch zwischen Mann und Frau der Tier-name als Kosename (mein Bärchen!) noch heute seinen festen Platz hat. Wenn ich mehr Mut hätte, würde ich bei einem Elternabend in der Schule einfach mal völlig überraschend und laut »Mausi!« in den Raum rufen – ich wette, ein gutes Drittel der Mütter würde sich umdrehen.
Aber zurück zu unserer Ausgangsfrage: Was macht diese Allgegenwart von Tieren mit den Müttern? Ich gebe zu, eine erschöpfende Antwort fällt mir schwer. Müsste ich sie geben, ich würde die Mütter wohl in zwei Gruppen teilen, die sehr unterschiedlich auf die animalische Präsenz reagieren: Die einen lieben Tiere, die anderen hassen sie. Erstere sind Reitlehrerinnen oder Pferdebesitzerinnen, sind mit Tieren aufgewachsen oder glauben an die Wiedergeburt, was sie sozusagen aus strategischer Klugheit dazu veranlasst, Hund, Katze, Maus mit einer auffallenden Höflichkeit zu
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